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Zum 80. Geburtstag von Michael Gielen am 20. Juli 2007
Wanderer und ungepasster, kompromissloser Intellektueller unter den Dirigenten
Michael Gielen wurde am 20. Juli 1927 in Dresden geboren als Sohn des späteren Wiener Burgtheaterdirektors Josef Gielen. Gemeinsam mit seinem Vater und sei-ner jüdischen Mutter flüchtete er vor Hitler ins südamerikanische Exil, wurde in Buenos Aires am Teatro Colon Repetitor und Assistent Erich Kleibers, lernte aber auch von Tullio Serafin, Fritz Busch und vielen anderen ins Exil getriebenen Grö-ßen seiner Zeit. Michael Gielen betont immer wieder, ...
" ... dass die Emigration ein riesen Glück war, ein unglaubliches Glück, von dem Faktum her, dass ich in ein ziemlich freies, korruptes, demokratisches Land kam, wo die Leute einander leben ließen, dann konnte ich bei Emigranten studieren, bei Leuten aus Wien und Berlin, und die Leute aus Wien waren sogar Schönberg-Schule. Das ist natürlich wieder ein großes Glück. Noch dazu bekam ich ja einen Horizont!"
Schon mit zweiundzwanzig Jahren spielte der hochbegabte Pianist das gesamte Klavierwerk Schönbergs, seine Kompositionen erregten früh Aufmerksamkeit. Seine Leidenschaft für die zeitgenössische Musik hat ihn auch als Dirigent nie verlassen.
"Ich finde, das ist eine der ganz primären Pflichten eines jeden Interpreten, die Musik seiner eigenen Zeit zu spielen. "
Nach dem Krieg kam Michael Gielen nach Wien zurück und wurde Assistent Her-bert von Karajans. Er führte später als Dirigent ein wechselhaftes Leben zwischen Brüssel, Stockholm, Frankfurt am Main – wo er der Frankfurter Oper zu ihrer be-deutendsten Ära nach dem 2. Weltkrieg verhalf und Baden-Baden. Das SWR-Sinfonieorchester wurde sein spezielles Orchester, mit dem er Meilensteine in Sachen Neue Musik setzt.
Michael Gielen ist seit Jahren freiberuflich tätig. Er ist der Mann fürs Schwierige, fürs moderne Repertoire, dem der Ruf vorauseilt, ein Präzisionsfanatiker, ein kompromissloser Intellektueller am Pult und einer der schärfsten Partituren-analytiker zu sein. Er ist politisch hellwach, weltgewandt, menschlich unkom-pliziert und geprägt von unerschütterlichem Widerspruchsgeist gegenüber vor-herrschenden Konventionen aller Art, auch Aufführungskonventionen. „Es muss, gelingen“, so schrieb Michael Gielen einmal,
„die Menschen, die zuhören, zu ver-unsichern in ihrem Selbstverständnis von dem, was tradierte Kultur ist.“
Heute wird er achtzig Jahre alt, und er will sich allmählich vom Dirigentenpult zurückziehen.
"Zu erkennen, wann man aufhören soll, das ist schon ein eigenes Talent, und dazu muss man ja auch die Möglichkeit haben…“. Man wünscht es ihm.
Diverse Beiträge in der ARD
(Am 8.03. 2019 ist Michael Gielen gestorben)