Callas Jacobshagen


Eine Callas-Summe ist gezogen


La Divina wird sie genannt, „Die Göttliche“. Sie galt als „Primadonna assoluta“ und war schon zu Lebzeiten ein Mythos. Maria Callas war eine hollywoodreife Diva, deren glamouröse Erscheinung, deren gesellschaftliche Skandale und deren künstlerischen Erfolge Publikum und Presse (nicht nur die Regenbogenpresse) auf der ganzen Welt in Atem hielten. Maria Callas ist schon zu Lebzeiten ein Mythos geworden.


„Mythos Maria Callas: Uber keine zweite Musikerpersönlichkeit der letzten einhundert Jahre wurden so viele Bücher in so vielen unterschiedlichen Sprachen geschrieben. Neben den einschlägigen Biographien füllen auch viele Romane, Novellen und sogar Theaterstücke die Regale. Weder Caruso noch Karajan, weder Elvis noch Madonna können es in publizistischer Hinsicht mit ihr aufnehmen. Sie ist die absolute Primadonna in der Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts.“ So schreibt der renommierte Musikwissenschaftler Arnold Jacobshagen in seinem Callas-Buch.


Er unterscheidet in seinem Buch zwischen „Kunst und Mythos“ der Maria Callas und nimmt das sängerische Jahrhundertphänomen einmal mit wissenschaftlicher Präzision genauer unter die Lupe genommen. Mit wissenschaftlicher Genauigkeit, und nicht eingetrübt durch irgendwelche Emotionen trennt er zwischen Leben, Kunst und Mythos, Callas heute und Callas morgen, stellt ihre wichtigen biografischen Stationen (New York, Athen, Italien und den Rest der Opernwelt) dar, beschreibt präzise ihre Stimme, ihre Interpretationen und Aufnahmen, schließlich sortiert er noch die unterschiedlichen Aspekte des Mythos: Liebe, Märchen, Diva, Medien und Opfer. Jacobshagen zieht eine Summe, er bilanziert und stellt fest:
„Allzu bereitwillig wurden in der Vergangenheit tradierte Fehlurteile und Gerüchte über die Sängerin fortgeschrieben und aufgebauscht. In vielen Fällen eröffnet ein quellenkritischer, musik- und geschichtswissenschaftlicher Blick andere Perspektiven. Die immense Überlieferung macht zugleich eine zeitgemäße Auseinandersetzung mit dem facettenreichen Callas-Mythos unumgänglich. In seiner eigentümlichen Formulierungskraft hat Günter Grass einmal beklagt, dass in der postmodernen Gesellschaft ‚jeder Scheißhaufen ein Mythos genannt‘ werde. Für unser Thema ließe sich in Anlehnung an diese Metapher die konsequente Entsorgung abwegiger Callas-Fabeln fordern. Neue Untersuchungen und Forschungsansitze aus den Kultur-, Musik- und Medienwissenschaften, der Psychologie und Soziologie, der Staranalyse, den Celebrity Studies und der Fanforschung tragen zur Erhellung vieler Fragen bei. Noch wichtiger als die Klärung biographischer Details und Legenden bleibt die Würdigung ihrer einzigartigen künstlerischen Leistungen.“
Jacobshagen löst diesen Anspruch faszinierend und respektgebietend ein und kommt zu dem Schluss: „Die herausragende Sängerin des 20. Jahrhunderts war Maria Callas nicht wegen der Schönheit, sondern wegen der Expressivität und Unverwechselbarkeit ihrer Stimme. ... Ingeborg Bachmann schrieb über Callas, sie habe mit ihrem Gesang ‚auf der Rasierklinge gelebt’. Erst durch sie, so scheint es, wurde auch der Operngesang zu einer existentiellen Erfahrung.“ Und er betont zurecht, dass „der künstlerische Ein?uss von Maria Callas auf die Musik und das Musikleben der Gegenwart“ nach wie vor immens sei.


Tatsächlich war die Bedingungslosigkeit, die Intensität, die Ernsthaftigkeit und Kompromisslosigkeit ihres Singens, aber auch die ihres schauspielerischen Instinkts, und ihrer perfekten Beherrschung der Rolle der Primadonna hat das Publikum – trotz ihrer stimmlichen Anfechtbarkeit - schlichtweg hingerissen und überwältigt, denn sie hat mit ganzer Seele gesungen. Das war das Geheimnis der Callas.
Das, was die Italiener „Canto espressivo“ nennen. Sie hat die Sehnsüchte und Bedürfnisse des Publikums erfüllt, und sie hat den von ihr dargestellten Figuren der Vergangenheit eine Stimme unserer modernen Zeit gegeben. Vor allem den Belcantopartien, die sie fürs 20. Jahrhundert wieder entdeckt hat.


Die Callas, so Jacobshagen, sei ihrer Zeit weit voraus gewesen. „Sie leitete eine Repertoirewende des musikalischen Theaters und einen Paradigmenwechsel der Gesangsästhetik ein, den man als ‚Belcanto turn‘ bezeichnen könnte. Diese Wende ist heute noch längst nicht Geschichte. Im Gegenteil: Sie ist: aktueller denn je.“
Last but not least: Jacobshagen nennt Zahlen und Fakten des bis heute andauernden Medienrummels und der Vermarktung der Callas dreht. Sorgfältige Anmerkungen, Literaturverzeichnis und Register verstehen sich bei Jacobshagen von selbst.

Er hat den Überblick über die vielseitige Auseinandersetzung mit dem Phänomen Callas behalten und eindrucksvoll eine Summe gezogen



 

 

 

 

 

 

 

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