Bayreuther Festspiele 2014

Photo: Dieter David Scholz


Bayreuther Festspiele 2014  - Ein depimierendes Halbzeitresümée


Das Festspielhaus ist eingerüstet und mit Planen verhüllt, Wagners Wohnhaus Wahnfried ist eine Baustelle, das Markgräfliche Opernhaus wird saniert, die Stimmung am Hügel ist trist.


Wie seit 1978 alljährlich, begannen die diesjährigen Richard Wagner-Festspiele in Bayreuth am 25. Juli. Sie dauern noch bis zum 28. August. Regisseur Frank Castorf, dessen „Ring“-Neuinszenierung im vorigen Jahr heftige Kontroversen auslöste, hatte in einem SPIE-GEL-Interview die Bayreuther Festspielleitung unter Beschuss genommen: Es gehe ihr nur noch um Machterhalt, am Hügel herrsche eine Atmosphäre von „Angst, Vorsicht, (und) vorauseilendem Gehorsam“. Was Wunder, dass sein „neuer“  „Ring“ auch in diesem Jahr im Mittelpunkt des Interesses steht, zumal es keine Neuinszenierung gibt.


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Wenn die Festspielleiterinnen Katherina und Eva Wagner in den fünf Jahren ihrer Amtszeit etwas bewirkt haben, dann, dass man in-zwischen in Bayreuth oft ohne Wartezeit Eintrittskarten an der Abendkasse und im Internet bekommen kann. Für manche Vorstellungen werden einem die Karten beinahe hinterhergeworfen. Ein Alarmzeichen für die Festspiele! Festspielsprecher Peter Emmerich versucht zu beschwichtigen:


"Das hängt damit zusammen, dass wir uns entschlossen haben, aus triftigen Gründen Karten, die noch nicht bezahlt wurden, wieder einzustellen in den Onlineverkauf, bzw. auch im gegebenen Fall Karten zurück zu nehmen, um sie noch anzubieten. Das soll auch ein bisschen weitergehen und soll sich ausweiten in den nächsten Jahren. Das hängt damit zusammen, dass wir natürlich vom letzten auf dieses Jahr eine nicht unbeträch¬liche Preissteigerung hatten. Und es hängt auch mit einem veränderten Publikumsrezeptionsverhalten zusammen."


Seit der Rüge des Bundesfinanzhofs, die Bayreuther Kartenvergabe sei intransparent und ineffizient, hat sich der Anteil an freiverkäuf-lichen Karten in Bayreuth fast verdoppelt. Aber die Preise sind kräftig gestiegen, im Durchschnitt um achtzehn Prozent. Für eine Eintritts-karte muß man nun bis zu 320 Euro zahlen. Das ist manchem Wagnerinteressierten angesichts des in Bayreuth Gebotenen deutlich zu viel. Auch für den aufsehenerregenden „Ring“ von Frank Castorf gilt das, den der Berliner Volksbühnenintendant  ja als brutalen Kampf des Wotan-Clans mit den Nibelungen und den Riesen zeigt, aber auch als Konfrontation zwischen Sozialismus und Kapitalismus, angesiedelt in einem US-Amerikanischen Motel, in der Erdöl-Metropole Baku, am Alexanderplatz  in Berlin und vor einem sozialistischen Mount Rushmore.  Auch in diesem Jahr ist die Meinung der Presse gespalten: In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG feiert Reinhard Brembeck die wiederaufgenommene "Ring"-Inszenierung Castorfs als frech, komisch, provozierend,“, eine Lesart, in der sichtbar werde, „dass Wo-tans Walhall nichts anderes sei als  der Börsentempel der Wall Street, auf dessen Altar alle Menschheitshoffnungen und Utopien, alle Religionen und die Träume von einer besseren Welt geopfert wurden." Christian Wildhagen dagegen unterstellt Castorf in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, nach wie vor an "Opas Osttheater und die immer gleichen müden Provokationen" zu glauben. Vom Publikum wurde Castorfs Inszenierung auch in diesem Jahr vom Publikum überwiegend abgelehnt. Stimmen von Festspielgästen und Bayreuthern:


"Ich finde ihn weit unter dem Niveau, das Wagner verlangt. /  Ich persönlich muss sagen, das hat für mich mit dem Ring des Nibelungen als solchem eigentlich nichts mehr zu tun. /  Für mich sehr gewöhnungsbedürftig und eigentlich nicht ganz zu akzeptieren. / Schlecht genug, aber besser als befürchtet. /  Ich glaube auch, das kommt 30Jahre zu spät. Vor 30 Jahren wäre eine solche Aufführung  wie die von Castorf aufrüttelnd gewesen. /  Die Oper ist heute fehlgeleitet durch eine vollkommen desolate Geistigkeit, die eine Pseudointellektualität darstellt, und damit kann ich überhaupt nichts anfangen."


Wenn es einen eindeutigen Sieger bei den diesjährigen Bayreuther Festspielen gibt, dann ist es das bejubelte „Ring“-Dirigent Kirill Petrenkos,  der Gerüchten zufolge allerdings beabsichtige, nach 2015 sein „Ring“-Dirigat abzugeben, was eine Katastrophe für Festspiel-leiterin Katharina Wagner wäre. Dass ihr Vertrag als Festspielleiterin von 2015 an für weitere 5 Jahren verlängert wurde, Ihre Halb-schwester Eva scheidet dann aus der Festspielleitung aus, stößt beim Publikum keineswegs auf einhellige Begeisterung.  Festspielgäste:


"Das hat etwas von einer Seifenoper. /  Also ich finde sie nicht gut. Sie macht viel kaputt. /  Ich glaube, das ist eine falsche Entscheidung für Bayreuth. /  Ich finde,  das ist ein politischer Skandal, der mit künstlerischen Gründen überhaupt nicht erklärbar ist. /  Das ist sicherlich zu überlegen, ob mehr Professionalität im Management der Sache nicht gut täte."


Neben Castorfs „Ring“, der angesichts zu kurzer Probenzeiten, wie der Regisseur öffentlich beklagte, ohne nennenswerte szenische Änderungen über die Bühne geht, wenn auch mit einigen sängerischen Umbesetzungen, stehen in diesem Jahr noch „Der fliegende Holländer“ in der simpel-braven Inszenierung von Philip Gloger auf dem Programm und, als pannengetrübte Eröffnung, der die sonst so Bayreuthttreue Kanzlerin fernblieb (sie kam dann allerdings zur zweiten „Ring“-Hälfte) gab´s noch einmal die, wie Eleonore Büning von der FAZ meint, „superdumme" „Tannhäuser“-Produktion“ von Sebastin Baumgarten, die in einer Biogasanlage spielt, in der Elisabeth vergast wird. Diese von Anfang an bei Presse wie Publikum durchgefallene  Inszenierung wird nächstes Jahr vorzeitig aus dem Programm genommen zugunsten der „Lohengrin“-Produktion von Hans Neuenfels. Sie  genießt  inzwischen so etwas wie Kultstatus und wird deshalb im nächsten Jahr entgegen der Bayreuther Gepflogenheiten ein sechstes Jahr auf dem Programm stehen.


Sechs Jahre nach der Inthronisierung der Wolfgang Wagner-Tochter Katherina und ihrer Halbschwester und Steigbügelhalterin Eva ist die Bilanz ihrer gemeinsamen Amtszeit deprimierend. Von einer Steigerung der Popularität, von mehr Transparenz, von Public Viewing und so manch anderen  ihrer Ideen ist nicht viel übrig geblieben. Sponsoren sprangen ab. Der Mythos Bayreuth bröckelt gewaltig.  Kein Wun-der! Die Festspielleiterinnen haben mit der Auswahl ihrer Regisseure einen Großteil  des Publikums verärgert und Verjagt. Das Publikum hat sich infolgedessen verändert.  Bayreuther Meinungen:


"Natürlich hat sich das Publikum verändert, es ist ein Eventpublikum geworden. / Man merkt, dass man sich mit Leuten nicht mehr inhaltlich unterhalten kann. Es geht nur noch um Äußerlichkeiten. / Merk ich, die haben von Wagner keine Ahnung. Es sind keine Wagnerianer mehr. /  Das Publikum ist wesentlich oberflächlicher geworden. "


Die Bayreuther Traumfabrik hat, in diesem Jahr wurde es so deutlich wie nie zuvor, gewaltig an Magie, an Aura und Nimbus eingebüßt. Zum ersten Mal übrigens seit Langem gab es in diesem Jahr auch keinen Skandal, keine familiären Schlammschlachten des Wagnerclans, keinerlei prickelnde Aufregung am Grünen Hügel. Im Gegenteil: Die Stimmung in Bayreuth ist, verglichen mit den früheren Jahren, ausgesprochen trist. Ein junger Festspielgast::


"Jede Zeit bekommt ihre Festspiele, die sie verdient!"


Das gebildete, an Wagner interessierte Publikum, das bis vor wenigen Jahren noch die Pausen am Grünen Hügel mit anregenden Diskus-sionen  prägte, pilgert nicht mehr, wie früher nach Bayreuth, sondern besucht gezielt an anderen Orten der Welt die oft besseren Auffüh-rungen. Ein langjähriger Besucher der Bayreuther Festspiele:


"Ich habe heute offiziell Karten bekommen über meine Bestellung, aber ich hab das kleinste der Übel gewählt, nämlich den Lohengrin. Die anderen Sachen hätte ich mir nicht angeguckt, selbst wenn sie mir die Karten geschenkt hätten."


Das Wagnerpublikum wird reifer, Aber das lesende Wagnerpublikum nimmt kontinuierlich ab . Ein Bayreuther Buchhändller.


"Das Buchgeschäft wird von Jahr zu Jahr schlechter, das Niveau des Pulikums wird auch schlechter. Es gibt jede Menge Neuerscheinungen über Wagner. Aber man sieht es im Endeffekt in der Kasse nicht."


Wie Katharina Wagner ankündigte, wird es nächstes Jahr in Bayreuth eine neue „Tristan“-Inszenierung  von ihr geben. 2016 wird der wegen seiner künstlerischen Koketterie  mit Nazisymbolen umstrittene Maler Jonathan Meese einen neuen „Parsifal“  inszenieren und 2017 bringt der für seine frech-spassige Krawall- und Revue-Affinität bekannte Barrie Kosky, seit 2012 Chef der Berliner Komischen Oper,  neue “Meistersinger“ heraus.  Darf  man angesichts dieser Vorschau optimistisch in die Zukunft der Bayreuther Festspiele blicken, fragte ich Bayreuther und Festspielgäste?


"Nein, das geht den Berg herunter. /  Ich fürchte nein, denn die Inszenierungen, die für die nächsten Jahre angedroht sind, lassen darauf schließen, dass weitere Teile des Stammpublikums verärgert Bayreuth den Rücken kehren. /  Also ich hab viele Bekannte, die seit Jahr-zehnten wie ich hier raufgehen, und die haben mir gesagt: Die macht uns den Ausstieg leicht! Es werden immer mehr gehen und ob da soviel nachkommt, und das auf Dauer dann mittragen werden, das wage ich zu bezweifeln. /  Ja ich denke Mal, dass halt die Frau Wagner sich überlegen muss, ob sie mit dieser Hauspolitik überleben kann, auf Dauer gesehen."




Verschiedene Beiträge  für DLF Musikjournal, MDR Figaro