Platée Dresden 2019

Photo: Ludwig Olah


Pariser Nymphe in den sächsischen Elbsand gesetzt

Rolando Villazón inszeniert an der Semperoper Rameaus "Platée"


Jean-Philippe Rameaus "Platée" ist ein Meisterstück des satirischen Musiktheaters. Es ist die Geschichte der hässlichen, aber durchaus anmaßend-arroganten Sumpfnymphe, die tatsäch-lich glaubt, niemand könne ihrer Schönheit widerstehen, und selbst Jupiter hätte sich in sie verliebt, dabei geht sie nur einer so irrwitzigen wie grausamen Intrige, einer Komödie auf den Leim, die Thespis, der Erfinder der Komödie und der Satyr Momus ausgeheckt haben, um Juno, die Gattin Jupiters von ihrer Eifersucht zu heilen.


Rameau hat das Ballett bouffon zur Hochzeit des Dauphins Ludwig mit der hässlichen Maria Theresia von Spanien 1745 geschrieben. Das Stück wurde (verständlicherweise) als unpas-send für den Anlass empfunden und fiel durch. Heute wissen wir es als eines der Meister-werke der Opernliteratur zu würdigen, auch wenn es schwer zu realisieren ist. Nur Aus-nahmeproduktionen können dem Werk zu seinem Recht und zum Publikums-Erfolg verhel-fen. Eine solche Ausnahme-Aufführung war seinerzeit die Pariser Produktion von Mark Minkowski in der Inszenierung von Laurent Pelly. Die beiden haben die buffoneske Komö-die als bitterböse Außenseiter-Satire auf die Bühne gebracht, als Theater-Gaudi und tur-bulenten Spaß. Die Geburt der Komödie, die der Librettist Rameaus, Adrien-Joseph Le Valois D´Orville – frei nach Pausanias -  meinte, sie wurde im Palais Garnier bei Pelly und seiner Ausstatterin Chantal Thomas zum Theater auf dem Theater, das freilich, mit jedem Akt mehr zerfällt und immer sumpfigerem Chaos Platz macht. Das Zuhause der Sumpf-Nymphe Platée eben, die schon in der Uraufführung von einem Mann gesungen wurde. Auch bei Minkowski wurde sie von einem Tenor en travestie gegeben. Ein Paradestück für den vielseitigen, Verwandlungskünstler und virtuosen Bühnendarsteller Paul Agnew.


Der steht nun in der Dresdner Erstaufführung des Stücks am Pult einer Kleinstbesetzung der Sächsischen Staatskapelle Dresden, deren Stärken bekanntermaßen auf anderen Gebieten der Musik als der Barockmusik liegen. Sie hat sich an dieser - mit Verlaub gesagt - sterbens-langweiligen Rameauinterpretation verhoben. Warum muss dieses Orchester auch Rameau spielen? Man kann ein solches Werk wohl nur glaubhaft aufführen mit einem historisch informierten Spezialensemble.


Aber auch die szenische Realisierung in der Semperoper enttäuscht nicht nur, sie spottet je-der Beschreibung. Die Aufführung ist eine Strapaze, um nicht zu sagen eine Zumutung! Rolando Villazón hat gemeinsam mit seinem Bühnenbildner Harald Thor und der Kostümbildnerin Susanne Hubrich eine grellbunte, platte, banale Blödelei zwischen Disco, Kinderzimmer, Jahrmarkt, Party, Muppet- und Transenshow inszeniert. Betonarchitektur heutiger urbaner Realität (samt aus dem Plafond herausfahrender Krallen der der bösen Wirklichkeit) wird karnevaleske Phantasie gegenübergestellt, aber auch Männlichkeit der Weiblichkeit,  wobei der tolerante Spaßmacher Villazón für fliessende Übergänge, ja (theatralische) Transsexualität zu plädieren scheint. Doch kein Klischee, kein Kalauer wird in dem Gendergedöns ausgelassen. Auch ansonsten reichlich Klamauk und Regie mit dem Holzhammer. La Folie tritt als alte Transe auf.  Bewachte und nur geschlechtsspezifisch eindeutig ausgewiesenen Benutzern gestattete, getrennte Toilettenhäuschen für Männer und Frauen, Clowns mit Pappnasen und Männer im Tutu wie im Glimmerfummel sollen wohl zum Lachen wie zum Nachdenken anregen. Von den vielen geschmacklosen Regiegags und inszenatorischen Entglei-sungen ganz zu schweigen. Die Bühnenmaschinerie wird nicht geschont, der szenische Aufwand ist enorm, doch weniger wäre mehr gewesen. Selten hat man sich so gelangweilt (und geärgert) in einer Barockoper, zumal auch die vielen ermüdenden Tanzeinlagen (Cho-reographie Philippe Giraudeau) nicht eben gottbegnadeter TänzerInnen über dilettantisch wirkendes Gehopse und Gehampele nicht hinausgehen. Ebenso  uninspiriert ist auch der durchweg zu laute Gesang, stilistisch wenig einfühlsam, weit entfernt von französischem Barockgesang. (Platée -Philippe Talbot, Cithéron/Ein Satyr -Giorgio Caoduro, Jupiter-Andreas Wolf, Junon - Ute Selbig, Mercure/Thespis-Mark Milhofer, Momus-Sebastian Wartig, Thalie/Clarine-Julia Maria Dan, La Folie-Inga Kalna, Amur-Tania Lorenzo)


Mit dieser Produktion hat sich die Semperoper einen Bärendienst erwiesen. Viele Zuschauer verließen schon in der Pause das Theater. Man kann es ihnen nicht verdenken.