Haus am See

Photos privat

Michael Laumen starb  mit 68 überraschend im Februar 2019

 

Gastro-Glück im Norden: "Ich weiß ein Haus am See“ in Krakow  
 

Paradiesweg 3, 8292 Krakow am See, Tel.: 038457 – 232 73. einhausamsee@t-online.de

 

Man würde nie zufällig auf dieses Etablissement stoßen, nie einfach daran vorbeifahren. Und das ist gut so! Es wäre schade, wenn solche Lokalitäten wie das „Haus am See“ dem Tagestourismus und dem Zufall der Straße zum Opfer fielen. Solche gastronomischen Perlen sol-lte man eigentlich hinter haushohen Dornröschenhecken tief im Wald dem Zugriff größerer Öffentlichkeit verbergen. Ohne damit dem Unternehmen den ökonomischen Lebensnerv abschneiden zu wollen, versteht sich. Das „Haus am See“ liegt gottlob so gut versteckt wie nötig. Jahrelang erreichte man es nur auf ziemlich holprigen, wegen seiner gefährlichen Schlaglöcher gefürchtetemm Waldweg abseits der Hauptverbindungsstraße zwischen Teterow und Krakow. Das hat sich geändert inzwischen. Man kann jetzt zivilisiert vorfahren.

 

Petra Königs und Ruth Laumens „Haus am See“ ist eines der angenehmsten und besten Restaurants weit und breit. Zumal in den Neuen Bundesländern. Da hatte der Guide Michelin einmal wieder recht, als er gleich nach der Wende, als der rheinische Zwei-Familien-Betrieb das „Haus am See“ erwarb und umbaute zum ländlichen Gourmettempel, ihn mit einem Stern zierte. Es war der erste Stern im Norden des Ostens und ich wage zu behaupten, daß die Königs und Laumens, allen voran natürlich der fabelhafte Chef de cuisine, Michael Laumen, nach wie vor am besten kochen in Mecklenburg-Vorpommern. Zu schweigen vom geschmackvoll unaufdringlichen Understatement des klaren und hellen Ambientes ihrer idyllischen  „Location“ und dem perfekten Service, einer idealen Mischung aus ehrlicher Verbindlichkeit und heiterer Gelassenheit.

 

Was gekocht wird, genügt allerhöchsten Ansprüchen verwöhnter, sensibler Gaumen und Nasen. Michael Laumen hat Phantasie, er hat Sinn für feinste aromatische Nuancen, vor allem Mut zu starken Aromen und Gewürzen (was nicht nachhaltig genug gepriesen werden kann) wie auch zu optisch-lukullischen Reizen und weiß frische regionale Produkte mit internationalen Ideen und Hausmanns-Rezepten originell, zuweilen raffiniert, nicht selten geheimnisvoll, in jedem Fall aber wohlschmeckend zu verschmelzen. Wild, Fisch, Gemüse und Fleisch verwendet  er frisch aus der Region, die Weine sind ausgewählte Repräsentanten aus Neuer und Alter Weinwelt. Was aus den Weinkellern Frankreichs, Spaniens, Italiens und Deutschlands angeboten wird, kann sich sehen- und trinken lassen. Und das zu fairen Preisen. Angeboten werden sie außerordentlich sachkundig, dabei  angenehm bodenständig vom Sommelier Adelbert Rudishauser, dem Spiritus-Rector des Auftischens mit dem sinnlich-sonnigen Gemüt.  Er berät mit dem seltenen Charme eben nicht bevormundender, nicht wichtigtuerischer, sondern lebensfroh handfester, diskreter wie höflicher Kompetenz und Autorität eines Menschen, der selbst gern Wein trinkt und ohne viel Schnickschnack und Drumherumredens jedes Showgebaren vermeidet, das einem ja so oft in ähnlich gehobenen Restaurants die Lust am Weingenuss verderben kann. Nicht so, wie gesagt im „Haus am See“, wo die unaufdringliche Freundlichkeit nicht nur des Sommelier, sondern auch des kleinen, feinen Damen-Teams mit fast familiärer, aber stets angenehm Distanz wahrender Wärme und Zuwendung genau jenen Grad an Professionalität der gastronomischen Dienstleistung zuteil werden lässt, die heute leider so selten ist.

 

Aber vor allem die Küche sei gepriesen: Eine kleine Sensation ist die Bouillabaisse Michael Laumens. Eine der besten Fischsuppen, die ich  in Deutschland je aß, ein Feuerwerk an Aromen, eine so perfekt komponierte Fischsuppe, die allein schon von höchster Profes-sionalität und Kochkünstlertum zeugt, auch wenn sie anders als jede franzäsische daherkommt, natürlich... . Auch das stündlich gebac-kene, knusprige Sauerteigbrot, das großzügig zu allen Gängen gereicht wird, die in der eigenen Küche frischgeräucherten, noch warmen Saiblings-Stremelchen (die niemand versäumen sollte, zu kosten) haben Ausnahmequalität. Gegrillte Jacobsmuscheln auf warmem Rettich-Chiccoréesalat, Kalbsbäckchen-Bries-Terrine,  Salat von verschiedenen gebratenen Spargeln, Flusskrebse in allerlei Variationen, geschmorte Kalbshaxe, mecklenburgische Fische auf Sellerie-Kartoffelpürée, zu Tomatenfondue mit Creolenreis oder in der Kartoffel-kruste zu geschmorten Salatherzen, mit Entenleber und schwarzen Nüssen gefüllte Wildentenrepinette oder Lammschulter im Serrano-schinkenmantel mit Böhnchen und Rosmainkartöffelchen, aber auch Desserts wie Mocca Brulée mit Birnen-Zimtsorbet oder Topfen-knödel mit Kirschkompott bezeugen Kochphantasie zwischen Tradition und Kreativität. Wobei ich in den zurückliegenden Jahren Michael Laumen nie hätte den Vorwurf machen wollen, seine Kreationen seien „überkandidelt“. Auch die Preise sind es nicht, im Gegenteil, sie sind höchst gastfreundlich kalkuliert. Verglichen mit inzwischen so manch anderen Sternen in den neuen Ländern, wo man nach wie vor Deprimierendes und Ärgerliches erleben kann an vielen Tischen und Herden, hätte Michael Laumen gut und gerne zwei Sterne verdient! Aber lassen wir das Klagen und Jammern über die mittlerweile leider so unzuverlässige Aussagefähigkeit der  Michelin-Sterne.

 

Es sind neben der besonderen Küche des Hauses und dem Charme des Ambientes die Kleinigkeiten, die Gesten und Aufmerksamkeiten, mit denen man immer wieder erfreut wird und die beweisen, daß es das gastronomische Hochniveau noch gibt, das mit Lust am Verwöh-nen des Gastes und mit eigener Lebens- und kulinarischer Lust der Verwöhnenden jene Symbiose zustandebringt, die beglückend ist für alle Beteiligten. Das Krakower Glück liegt aber auch an der Weltabgeschiedenheit und Ruhe, an der umgebenden idyllischen Landschaft des Etablisse-ments im eigenen, 10.000 qm großen Seegrundstück. Abseits vom Lärm der Stadt liegt das „Haus am See“ direkt am Krako-wer See, inmitten der Mecklenburgischen Seenplatte unweit der Mecklenburgischen Schweiz. In der überschaubaren, fast intimen Atmo-sphäre des zur großzügigen Rotunde geweiteten Restaurants mit separater Kaminecke und Hausbibliothek auf erhöhter Ebene lässt es sich nicht nur aufs Angenehmste speisen. Man kann im Hause auch gepflegt übernachten. Zehn  Doppelzimmer gibt es, sechs davon mit Log-gia zum See. Die Preise sind nicht überteuert. Die Zimmer sind im duftigen, ländlichen Laura Ashley-Landhaus-Stil gehalten, hell und komfortabel. Luxus, der selbstverständlich wirkt, der sich nie in den Vordergrund schiebt. Besonders sind mit zwei Solveterabende im Haus em See in Erinnerung, mit unvergesslichen, opulenten Silvester.Menüs.

 

Fazit: Eine kulinarische Oase allererster Güte für feinsinnige Genießer und Anspruchsvolle, und das fern allen neureichen Yuppie-Chics, aller Zeitgeist-Anbiederungen und fern aller versnobten Szene-Trends des modischen Gastro-Designs mit seinen Skurillitäten, die einen mehr und mehr zur Verzweiflung führen, weil gastronomisches Design gegenwärtig mehr und mehr über Kochkünste, Bewirtungshand-werk und den nicht ganz neben­sächlichen Effekt des zu erwartenden Wohlbehagens zu siegen scheinen. Ich mache jedenfalls, wenn ich zum Baden an die Ostsee fahre, spätestens bei der Rückfahrt einen Umweg über das „Haus am See“ in Krakow. An dieser Adresse kann, wer das Große Einmaleins des Kochens und Essens auch nur halbwegs beherrscht, einfach nicht vorbei-fahren. Aber selbst eine Reise nach Krakow, um des Hauses am See wegen, lohnt, von Berlin wie von Hamburg aus!