Jan Assmann: Zauberflöten-Opernführer

"Opera duplex"

Mozarts populärstes Werk:

"außen Volkstheater, Maschinenoper, Zaubermärchen vom Schikanederschen Typ, innen Mysterium" im Sinne der Freimaurerlehren.

Jan Assmanns hat den ultimativer Zauberflöten-Opernführer geschrieben,
aber er
ignoriert das wichtige Buch von Helmut Perl.



Bis heute ist Mozarts "Zauberflöte" zwar die meist aufgeführte, aber auch am wenigsten verstandene Oper. Der Ägyptologe Jan Assmann, der vor 4 Jahren bereits ein dickes Buch über die "Zauberflöte" schrieb, hat nun im Manesse Verlag einen ganz besonderen "Zauberflöten"-Opernführer herausgebracht.


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2002 hat Helmut Perl  sein Buch "Der Fall Zauberflöte" geschrieben. Eine intelligente wie brisante Studie über das populärste, aber auch am meißten missverstandene Werk Mozarts.Ob Maschinenkomödie, Zauberoper, Mysterienspiel oder Machwerk: Helmut Perl hatte berechtigte Zweifel an den herkömmlichen Interpretationen des Werks.  Er dechiffrierte es vor dem Hintergrund der Französischen Revolution als gesellschaftspolitische Allegorie, als aufklärerische Parabel, als Werk eines "Illuminaten". Die Illuminaten waren eine Spiel­art des Freimaurertums. Mozart war nachweislich Mitglied einer Wiener Illumina­ten­loge.


"Die Oper ist meiner Meinung nach eine Darstellung dieser Illuminatenideologie als Produkt einer radikalen Spätaufklärung, die sehr starke kirchenkritische Züge hatte." (Helmut Perl)


Sarastros Arie „In diesen heil´gen Hallen, kennt man die Rache nicht“ sollte dem Publikum sagen: wir sind keine Mörder nach Pariser Vorbild. Die Kleriker verleumden uns. In der Kö­nigin der Nacht und ihren drei Damen sind sie dargestellt.


Helmut Perls Buch, eines der wichtigsten, die je über die "Zauberflöte" geschrieben wurden, räumt mit  jeder Art von falscher Mozart-Beweihräucherung auf und  mit vielen falschen Mozart-Klischees und –Legenden.  Und doch erwähnt Jan Assmann dieses in seinem jüngsten "Zauberflöten"-Buch nicht einmal. Aber er hat offensichtlich Helmut Perl genau gelesen und stuft ebenfalls die "Zauberflöte"  als "Freimaureroper" ein. Er nennt sie eine "Opera duplex":  "außen Volkstheater, Maschinenoper, Zaubermärchen vom Schikanederschen Typ, innen Mysterium" im Sinne der Freimaurerlehren. Sehr einleuchtend korrigiert Assmann die weitverbreitete These vom Bruch des Werks zwischen erstem und zweitem Akt als Missverständnis. Wenn man die "Zauberflöte" als ein Stück über Illusion und Desillusio-nierung nach den Leitsprüchen: "Erkenne Dich selbst, beherrsche Dich selbst und Vollende Dich selbst" verstehe, lösten sich alle Wider-sprüche der Oper auf. Die "Zauberflöte", so macht Assmann deutlich, verbindet "die Ritualstruktur eines Prüfungsweges mit dem antiken Liebesroman" von Trennung und Wiederbegegnung. Damit stellt er das Werk in die Tradition des antiken Orpheus-Mythos von der Erlösung des liebenden Menschen durch Musik, ob durch Gesang, Flötenton oder Glockenspiel ist einerlei.


Für Jan Assmann ist Mozarts populärstes Werk" schon deshalb einzigartig, weil auf der Opernbühne nie zuvor und auch nie danach eine so befruchtende Synthese von Heroischem und Komischem geglückt sei wie in der Zauberflöte." Man stelle sich" - so der Autor - " in Wagners "Parsifal" einen Papageno vor, der die Gralsriten parodierte!" - Im Gesang der zwei Geharnisch­ten vor den Schreckenspforten "läßt Mozart die Melodie des lutherischen Chorals ´O Gott vom Himmel sieh darein´ den Cantus firmus zu einer im reinsten Stil Johann Sebastian Bachs  gehaltenen fugierten Begleitung singen...Protestantische Kirchenmusik im Vorstadttheater, ein lutherischer Choral im katholischen Wien." Wo - so fragt Ass­mann zurecht - hätte es Vergleichbares je vorher und nachher auf einer Opernbühne gegeben?"Jan Assmann hat mit einem brillianten Essay über "Schikaneder, Mozart und die Zauberflöte" die denkbar schlüssigste Erklärung des Werks vorgelegt. Aber damit nicht genug. Er hat sei­nem auch noch Texte aus dem literarischen Umfeld der "Zauberflöte" beigefügt und eine Aus­wahl verwandter Dichtungen der Zeit, etwa "Lulu und die Zauberflöte" von August Jacob Liebeskind, Christoph Martin Wielands "Der Stein der Weisen" und Goethes "Der Zauberflöte zweiter Teil", um nur einige zu nennen. Auch das Originallibretto der "Zauberflöte" ist ungekürzt abgedruckt. Neben allerhand charmanten wie interessanten Abbildungen. Ein überaus informatives und schönes Buch, im praktisch eleganten Westentaschen-Format des Manesse-Verlags, fadengeheftet, mit Lesebändchen, in weißes Moiré-Leinen gebunden und mit Goldprägung. Der ultimative  Zauberflötenopernführer.



MDR