Zurmühl Cosima

Sabine Zurmühl: Cosima Wagner: Ein widersprüchliches Leben.

Böhlau Verlag. 358 Seiten

 

"Hohe Frau",  "Mater gloriosa",  "gute Glucke", "Napoleon", "meine Krücke", "das ganze Wahnfried" und mehr...


Da ist sie nun, die erste feministische Cosima-Biographie. Es wurde ja auch Zeit, nach den überwiegend von Männern geschriebenen Biographien der zweiten Wagnergattin, von Richard Du Moulin-Eckart, Franz W. Beidler, Oliver Hilmes und George R. Marek, um nur die wichtigsten zu nennen. Zwar moniert die Autorin, Cosima Wagner werde in Biografien stets nur als Cosima bezeichnet, denn „mit Frauen werde gern verfahren wie mit kleinen Kindern, der Vornahme genügt“, entscheidet sich dann aber doch für die gut „patriarchalische“ Namensnennung Cosima, “weil sie mir im Laufe der Beschäftigung mit ihr näher gekommen ist.“


Neben einer „Ouvertüre“, in der sie sämtliche Liebes- und Kosenamen Richard Wagners für seine Frau auflistet, einem überflüssigen Stammbaum der Familie Wager (man liest ihn immer wieder), Anmerkungen, Kinderbriefstellen Cosimas in der Originalsprache und einer sehr subjektiven, recht lückenhaften Bibliografie umreißt sie in 33 biografischen Skizzen das widersprüchliche Leben Cosimas: Ihre „androgyne“, hoheitsvolle, willensstarke Erscheinung,  ihre illegitime Abstammung von Marie d’Agoult und Franz Liszt, ihr schwieriges, um nicht zu sagen ambivalentes Verhältnis zu ihrem Vater, dem gefeierten Salonlöwen und Tastenvirtuosen, der zum frommen Abbé mutierte, ihren bigotten, militanten Katholizismus, den sie Wager zuliebe opferte und zum Protestantismus übertrat.


Auch ihr Chauvinismus wie ihr fanatischer und starrer Antisemitismus wird zur Sprache gebracht. Dass er rassistisch, bösartig und gehässig war, liest man zwar, aber Sabine Zurmühl ignoriert wie viele andere Autoren, dass Wagners Antisemitismus sich wesentlich von dem seiner Gattin unterschied. Er war in sich brüchig, alles andere als starr, ja widersprüchlich und durchlief mehrere Phasen bis hin zu einer alterspazifistischen und auf Assimilation dringenden Haltung. Die zweite Fassung seines infamen „Judenaufsatzes“, den er Cosima zuliebe verfasste, allerdings entscheidend änderte (Juden und Nichtjuden sollten ununterscheidbar werden), aber auch seine späten Schriften in den Bayreuther Blättern lassen keinen Zweifel daran. Doch das wird in dieser feministischen Biographe unter den Tisch gekehrt.


Auch dass Cosima an ihrer Weiblichkeit litt, kein „gesundes“ Selbstbewusstsein als Frau und Gattin entwickelte („das Bewußtsein meines Unwertes wächst täglich“) und in fast neurotischer, nönnischer  Unterordnung aufging („Dienen Dienen“ war ihr tägliches Motto), bagatellisiert die Autorin, auch wenn sie in Sachen Liebe zurecht von einer „fast perfekt passenden, wechselseitigen Abhängigkeit“ spricht.


Sie stellt Cosimas Verdienste als Leiterin der Bayreuther Festspiele nach Wagners Tod dar, aber auch ihre Selbstinszenierung als Ehefrau eines Genies und „Meisters“. Man liest Interessantes, auch über ihren ersten Mann, den Dirigenten und Pianisten Hans von Bülow, den sie Wagner zuliebe verlassen hat, um mit ihm zunächst in wilder Ehe zusammenzuleben, was ein Skandalon war zu ihrer Zeit .


Natürlich spielt das Thema Emanzipation in diesem Buch eine Rolle. Man liest „Cosima gehörte …zu den nicht seltenen Frauen der Oberschicht, die tagespolitisches Engagement für Frauenfragen strikt ablehnten, in ihrer Lebensrealität aber das Rollenmodell selbst verkörperten, … Bildung, Recht auf Selbständigkeit, materielle Unabhängigkeit.“


Das Schreiben (zumal der Tagebücher) wird als „essentieller Bestandteil ihres Lebens“ gewürdigt, allerdings mit dem Zusatz: „Ihre Tagebücher über das Leben mit Wagner sind nach ihrem Tod die bekannteste Veröffentlichung Cosimas geworden. Sie habe diese Texte für ihre Kinder geschrieben, betonte sie immer, und wir wissen nicht, ob ihr die so breit aufgenommene Rezeption der Tagebücher peinlich gewesen wäre oder ob sie nicht doch ein bisschen Genugtuung über diesen ihren Erfolg empfinden würde.“


Die Autorin beschreibt kenntnisreich, aber eben nicht ganz unparteiisch die „Tragik der mit dem Mann loyalen Frau“, einer Frau, die „vom Leben geschüttelt und gerüttelt“ wurde, wie Cosima in einem Brief äußerte.


Ihr Fazit: „Cosima war keine Heerruferin für ein Befreiungskonzept für Frauen, schon gar nicht konkret eine Sprecherin für ihr Geschlecht und dessen Emanzipation. Und dennoch steht Cosima Wagner in ihrer Zeit mit all den Ungehorsamkeiten, persönlichen Befreiungsschlägen, ihrer Selbstverantwortung, ihrer Ungebundenheit bei gleichzeitiger Bindungsleidenschaft, ihrer Selbstständigkeit, ihrer Hartnäckigkeit und ihrer unbeirrbaren Klarheit als Person des öffentlichen Interesses für ein provokantes und auf ihre Weise selbstbestimmtes Leben jenseits vorgegebener Regeln und Normen.!“


Dass Cosima (zumal nach seinem Tod) Wagner stilisierte, verharmloste und entgrätete, Bayreuth zum Zentrum einer antisemitischen, völkischen Religionsgemeinschaft erklärte, das Festspielhaus zu einem Tempel weihte und mit dem „Bayreuther Kreis“ antisemitischer Autoren ihrer Hauszeitschrift (Bayreuther Blätter) der nationalsozialistischen Wagnerusurpation Vorschub leistete, das kommt allerdings zu kurz in dieser nicht unklugen Cosima-Biographie, in der Cosima allerdings entschieden zu „gut“ wegkommt.


Rezension auch in "Orpheus"