Postillon von Lonjumeau - Paris 2019


Photos: Stefan Brion


Opéra Comique, Premiere 30. März 2019


Ironisiertes Glanzstück der Gattung:

Adolphe Adams "Le Postillon de Lonjumeau"



Einmal im Leben sollte man das Paradebeispiel von Opéra-comique, der wohl bedeutendste Erfolg von Adolphe Adam, gesehen und gehört haben. Die launige Musikkomödie (mit ge-sprochenen Dialogen, wie üblich in der Gattung) wurde 1836 in der Pariser Opéra Comique uraufgeführt, wo das Werk jetzt wieder einmal neu herauskam (anschließend geht die Pro-duktion nach Rouen). Das Stück war auch in Deutschland bis in die 50er Jahre ein Hit im Repertoire. Heute muss man nach Paris reisen, um es zu erleben. Aber die Reise lohnt sich, denn der komödienerprobte Regisseur Michel Fau (der auch die Partie der Rose en travestie (lachmuskelerschütternd) spielte, hat mit der prachtvoll poppigen, blumig-bunten Quasi-Barocktheaterausstattung von Emanuel Charles und den historischen, augenzwinkernd ironisierten Kostümen von Christian Lacroix ein vergnügliches Theaterfest angerichtet.


Nicht dass die Handlung besonders aufregend ist, aber das Libretto von Adolphe de Leuven und Léon-Lévy-Brunswick ist  originell und gut konstruiert:  In Lonjumeau feiert man die Hochzeit des Postillons Chapelou mit der Wirtin Madelaine. Als der durchreisende Marquis de Corcy, Intendant der königlichen Oper,  die schöne Stimme des Postillons hört, fordert er ihn auf, postwendend mit ihm nach Paris zu kommen, um ihn als Sänger ausbilden zu lassen. Der abenteuerlustige Chapelou (dem ohnehin eine glänzende Zukunft in der Metropole prophezeit wurde) nimmt das Angebot an und verlässt das Dorf  noch am selben Abend, ohne sich von seiner  Frau zu verabschieden. Zehn Jahre später ist Chapelou  unter dem Namen Saint-Phar ein gefeierter Tenor und Liebhaber vornehmer Damen. Sein jüngster Schwarm ist Madame de Latour, die ihn lebhaft an Madelaine  erinnert. Kein Wunder, denn es ist Madelaine, die (entsprechend einer Prophezeiung, sie wird ebenfalls im Prolog erwähnt) inzwischen eine reiche Erbschaft gemacht hat und unter neuem Namen ein Landhaus bei Fontainebleau bewohnt. Sie liebt ihren Mann noch immer, ist aber entschlos-sen, ihm für seine Treulosigkeit eine Lektion zu erteilen. Das gelingt ihr, indem sie Saint-Phar zu einer von ihm nicht gewollten Ehe mit ihr überlistet. Als der eifersüchtige Marquis de Corcy die Verhaftung des Sängers wegen Bigamie veranlasst, spitzt sich die Situation dramatisch zu. Jetzt erst enthüllt  Madame de Latour ihre wahre Identität und verzeiht ihrem reuigen Mann, der schon die Todesstrafe vor Augen hat. Doch zweimal dieselbe Frau zu heiraten, verstößt gegen kein Gesetz. Die Moral von der Geschichte: Fürs Theater hat der Postillon seine Geliebte verlassen, nun verlässt er das Theater für die Geliebte.


Das kurzweilige Stück gibt Anlass zu effektvoller Musik und allerhand exquisiten Ensembles und Arien. Im Mittelpunkt die Romanze des Chapelou, ein Paradestück aller virtuosen Te-nöre, die peitschneknallend ihre Spitzentöne zur Schau stellen können. Man denke nur an Joseph Schmidt, Nicolai Gedda oder Henry Legay. Dieses Postillonlied mit allerhand hohen Cs und einem hohen d wird im Finale in geschickter Variation wiederholt und schon in der Ouvertüre angedeutet, es ist das Scharnier der ganzen Oper. Michael Spyres singt es höhen-sicher und souverän mit gut sitzendem, kernigem Tenor. Florie Valiquette dagegen bezirzt als  Madelaine mit hübschem, aber doch piepsigem, etwas dürftigem Sopran. Franck Legué-rinel als Marquis de Corcy überzeugt hingegen ebenso wie der Rest des Ensembles.


Sébastian Rouland am Pult des Orchestre del´Opéra de Rouen Normandie (es handelt sich um eine Koproduktion) dirigiert mit zwar etwas gebremstem Temperament, aber feiner und ausgewogener Balance. Der Chor accentus singt ohne Fehl und Tadel. Eine durchaus beglückende Aufführung!

 


Beitrag u.a. auch in "Operalounge"