Pfingsten in der Musik

Fresco in der Wiener Karlskirche / Privatphoto


“Der Glaube lebt / Die Taube schwebt" oder

Pfingsten in der Musik

 

Das Wort "Pfingsten" entstand aus dem griechischen Wort "Pentecoste", der fünfzigste (Tag), denn das erste Pfingstfest wurde laut Apostelgeschichte am "Fest der (Wei­zen-) Ernte", fünfzig Tage nach dem österlichen Paschafest gefeiert. Durch den variablen Os­tertermin variiert auch Pfingsten zwischen dem 10. Mai und 13. Juni. Nach biblischer Überlieferung meint Pfingsten die Herabkunft des Heiligen Geistes: das Pfingstwunder. Durch Feuerzungen sichtbar kam der Heilige Geist über die Jüng­er und bewirkte ihr Sprechen in vielen fremden Sprachen. Auch in der Musik hat dieses Pfingst­wunder seine Spuren hinterlassen.

 

„Feurige Zungen, Flammen der Liebe, heiliges Feuer“ – das sind Bilder, die einem immer wie­der begegnen, wenn von Pfingsten die Rede ist. Bilder, die die unbegreifliche biblische Szene von der Ausschüttung des heiligen Geistes greifbar machen wollen. „O ewiges Feuer“ heißt denn auch eine von Bachs Pfingstkanten, die das Feuer des Glaubens und der Liebe besingt, und das die Herzen entzünden soll.

 

Vom wärmenden, aber auch verzehrenden Feuer geht seit je eine besondere, eine elementare Faszination aus, der sich Komponisten wie Publikum, Priester wie Gemeinde nicht entziehen können. Kein Wunder also, dass es in vielen Pfingstmusiken eine Rolle spielt – zumal in der Barock-Zeit, in der die Sprache und die Musik kaum bildhaft genug sein konn­ten.  Freilich, am lautmalerischsten züngeln und lodern die Flammen des Pfingstfeuers bei Richard Wagner. In seinem „Liebesmahl der Apostel“, eine Art mu­sikalisches Pas­sionsspiel, das er 1843 mit einem Chor von 1200 Sängern in der Dresdner Frauenkirche auf­führte, hat er das Pfingster­eignis quasi als große Opernszene inszeniert. Die verwirrten Apostel erfle­hen den Hl. Geist, bis plötzlich und unerwartet ein unsichtbares Orchester das Heranbrau­sen und die Ausgießung des Hl. Geistes hörbar werden lässt.

 

Was bei Wagner nur noch Theater, ist seit dem 9. Jahrhundert wesentlicher Teil christlichen Glaubens: Im Pfingsthymnus „Veni creator spiritus“ (zu deutsch: "Komm, Schöpfer Geist") bittet die gläubige Gemeinde de heiligen Geist um Beistand. Dem Kirchengelehrten Rabanus Maurus wird dieser Pfingsthymnus Text zugeschrieben, der sich durch die gesamte europäi­sche Musikgeschichte zieht.

 

Die erste, ursprünglich gregorianische Vrtonung des Pfingsthymnus „Veni creator spiritus“ wurde aus dem Jahr 1000 in Kempten überliefert. Seither haben alle großen Kirchenkom­po­nisten ihn aufgegriffen. Erstmals hat Martin Luther den lateinischen altkirchlichen Hymnus ins Deutsche übersetzt: „Komm Heiliger Geist“. 1524 war es, als Luther sein „Geistliches Gesangbüchlein“ veröffentlicht. Die darin enthal­tenen 36 deutschen Lieder, wurden zu kirchengeschichtlichen Evergreens. Mehr als hundert Jahre später hat Heinrich Schütz am Dresdner Hof in seiner „Auf­er­stehungshistorie“ daran angeknüpft. Und noch im 19. Jahrhundert hat der überzeugte Protestant Felix Mendelssohn in seiner vorletzten Choralkantate bekannt: Wir glauben all an einen Gott:

 

Im süddeutsch-österreichischen, katholischen Kulturraum hat sich freilich der lateinische Pfingsthymnus weit über die Zeit der Reformation gehalten. Noch der 12-jährige Mozart entrichtete ihm 1768 im noch voraufklärerischen Wien seinen Tribut: Veni, sancte spiritus, KV 47.

 

Zum Symbol de Heiligen Geistes und damit auch für Pfingsten wurde im 6. Jahrhundert die Taube. Im Mittelalter war es denn auch Brauch, eine hölzerne Taube durch eine Öffnung der Kirchendecke herab zu lassen. Die Theatralik dieses Symbols hat Richard Wagner in seinem Weltabschiedswerk „Parsifal“ begeistert aufgegriffen. “Der Glaube lebt; Die Taube schwebt", „heißt es da. Ob Wagner oder Mendelssohn, Max Reger oder Telemann, Berlioz, Carissimi oder Duruflé: Quer durch die europäische Musikgeschichte ziehen sich die Vertonungen der Pfingstbot­schaft von der Ausgießung des Hl. Geistes, und keineswegs nur in der Vokalmusik:

 

Johann Pachelbel, Hoforganist in Eisenach, später Organist an St. Sebald in seiner Ge­burts­stadt Nürnberg hat mit seinem Choralvorspiel „Komm heiliger Geist“ eine der vielen Orgel­vertonungen des Pfingsthymnus geschrieben, die sich bis ins 20. Jahrhundert hinein bei Orgelkomponisten großer Beliebtheit erfreuten. Aber Pfingsten war auch ein Thema für die Sinfoniker. Gustav Mahler tonte in seiner 1910 uraufgeführten achten Symphonie mit geradezu wilhelminischem Gigantismus den lateini­schen Pfingsttext schon zu Beginn des ersten Satzes, um ihn im zweiten mit der Schluss-Sze­ne aus Goethes Fausts II zu verbinden. 

 

Was bei Gustav Mahler als christlich-jüdisch-atheistisch universale, als quasi europäische Vi­sion der Hoffnungs­losigkeit am Vorabend des Erste Weltkrieges endet, hat natürlich mit der ur­sprünglichen, hoffnungs­vollen Pfingstbotschaft nichts mehr zu tun. Der Letzte, der ihr mit zeremoniösem Pomp noch ein tönendes Denkmal gesetzt hat, war Karol Szymanowski im Jahre 1930. Sein “Veni creator” ist ein Musikstück tief empfundener polnischer Religiö­sität.