St. Martin und Karvevalsbeginn

„Gänse, Schwerter & Konfetti“                                                  

 

Im Jahre 1823 bestimmte ein "Festordnendes Comité" in Köln den 11. No­vem­ber zum Beginn der Vorbereitungen für einen geregelten Karnevalsumzug. Dieses „närrische“ Da­tum gilt seither im Rheinland jedenfalls als inoffizieller Beginn der Fast­nachtszeit, oder auch der „fünften Jahreszeit“ wie sie genant wird, zugleich feiert die Christenheit an diesem Tag das Fest des Hl. St. Martin.

Um 11.11 Uhr beginnt die "fünfte Jahreszeit", man begeht diesen Auftakt taditionell mit Krapfen (Berlinern) Sekt und Konfetti.

 

Seit dem 19. Jahrhundert finden in vielen Gegenden des Rheinlandes schon am 11. Novem­ber, ab 11.11 Uhr Karnevals-Veranstaltungen statt, zu denen insbe­sondere die Vor­stellung des Prinzen­paars gehört. Das hat mit der magischen Narrenzahl zu tun. Seit dem Mit­telalter gilt die Zahl Elf als Zahl der Sünde, die mit dem Narren in Verbindung gebracht wurde. Es gibt aber auch einen christ­lichen Hinter­grund des Datums. Das Geburtsfest Christi, also Hl. Abend, sah im Mittelalter eine vorangehende 40-tägige Fastenperiode vor. Vor deren Be­ginn pflegte man, wie vor Karneval, ebenfalls die später verbotenen Fleischvorräte aufzu­zehren.  


Zur Vertiefung: Im Mittelalter stand die Zahl Elf für Jux und Narretei. Es ist eine Schnapszahl, eine Narrenzahl, wie man damals gesagt hätte. Im christlichen Glauben wird die Zahl 11 auch mit Sünde und Profanität verbunden: Sie steht zwischen den Zahlen Zehn und Zwölf, die große biblische Bedeutung haben. Elf – einer mehr als die zehn Finger und einer weniger als die zwölf Apostel. Gefestigt hat sich die Zahl, seitdem sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts der sogenannte "Elfer-Rat" etablierte, der bis heute die Organisationskomitees in den verschiedenen Karnevalsvereinen bildet. Zudem beginnen Sitzungen nicht zur vollen Stunde, sondern elf Minuten später. Und tatsächlich: Die "11" gilt als die närrische unter den Zahlen. Das hat vor allem mit ihrer Stellung zwischen zwei übermächtigen Symbolen in der biblischen Zahlenmystik zu tun. Die "10", als Zahl der Gebote und der Weltordnung. Und danach die "12": Die Zahl der Apostel Jesu und das Symbol für Neubeginn - wie das Jahr, das nach zwölf Monaten endet und wieder von vorne beginnt.

Die "11" ist keine christliche Zahl, sie überschreitet die Norm der Gebote, sie hebt die alltägliche Ordnung auf - genau wie von den Jecken gefordert. Das Faschingstreiben stellt die christliche Gesellschaftsordnung in Frage. Zudem ist sie die kleinste Schnapszahl und die Zahl der "letzten Stunde" auf der Uhr, die Stunde vor dem Tod.

Außerdem zählten viele Stadt- und Kommunalgremien im 19. Jahrhundert zehn oder zwölf Mitglieder. Der "Elferrat" ironisiert also die politische Dimension der Ordnung in Deutschland, mit dem Datum hat das allerdings wenig zu tun.

Also ist der 11.11. ein freigesetztes Datum, dass mit der "11" die Ordnung der Welt in Frage stellt? Ganz sicher ist das nicht.


Eine andere Theorie besagt, dass die rheinischen Karnevalsvereine im 19. Jahrhundert das Wort "Elf" für sich vereinnahmten, weil sie sich damit über die Französische Revolution lustig machen wollten. Der Wahlspruch Egalité, Liberté, Fraternité ergibt abgekürzt und zusammen gesetzt "ELF". Deswegen der "Elferrat" und der Saisonstart am 11. 11.


Woher der Karneval genau kommt, ist umstritten. Bereits im antiken Rom gab es Festlichkeiten, zu denen ausgelassen gefeiert und Rollen von oberen und unteren Gesellschaftsschichten vorübergehend getauscht wurden. Es fanden sogar bunte Festumzüge statt. Zu diesen zählen beispielsweise die sogenannten Saturnalien oder Lupercalien zu Ehren der Götter Saturn und Faunus. Dass hier die Wurzeln des heutigen Karnevals liegen, bezweifelt die Forschung jedoch ebenso, wie den verbreiteten Glauben, dass die Ursprünge in germanischen oder keltischen Frühlingsfesten liegen. In vorchristlicher Zeit veranstalteten die Menschen zum Ende des Winters in Verkleidung als Geister und Dämonen ein großes Spektakel. Dieses vertrieb die bösen Geister und sollte die Frühlingsgeister mithilfe von Schellen und Trommeln wecken.


Sehr viel wahrscheinlicher ist ein christlicher Ursprung: Der Karneval, auch Fastnacht genannt, leitete demnach die lange Fastenzeit ein, die von Aschermittwoch bis Ostern andauerte. Deshalb finden davor noch ausgiebige Feiern statt, die von viel Trank und Speis begleitet werden: Das Essen fällt entsprechend sehr üppig und vor allem fettig aus. Zur Feier an Karneval darf man sich also noch einmal richtig austoben. In dieser Hinsicht sind auch die sehr fetthaltigen, typischen Speisen wie Krapfen und anderes Schmalzgebäck einzuordnen. Auch die mögliche Herleitung des "Karnevals" aus dem Lateinischen "carne vale“ passt in diese Interpretation: "Fleisch, lebe wohl“.

Für Karnevalsunerfahrene ist es meist überraschend, dass am 11.11. für einen Tag die Hölle losbricht, und die Narren sich dann erst mal wieder so verhalten, als wäre nichts gewesen. Erst im neuen Jahr beginnt die Session – die Karnevalisten sagen Session, nicht Saison – mit dem Sitzungskarneval so richtig.


Der 11.November ist auch der Tag des Hl. Martin. Er wurde 316 als Sohn eines rö­mischen Offi­ziers im heutigen Ungarn geboren und gilt in der Christenheit als Inbegriff der Mild­tätig­keit und Barmherzigkeit. Der Legende nach teilte er mit dem Schwert seinen Mantel, um eine Hälfte, weil er sonst nichts zu verschenken hatte, einem Bettler zu geben. Der zeigte sich ihm im Traum als Jesus Chris­tus und veranlasste Martin, sich taufen zu lassen. Er starb 397 und wurde schon im folgenden Jahrhundert heiliggesprochen.


Mit Peitschenknallen und Schellengeläut zogen am Martinstag in manchen Gegenden junge Männer maskiert und lärmend durch die Gassen, um böse Geister zu vertreiben. Vor allem im alpenländischen Raum. Denn im Volksglauben geht an Martini, dem Martinstag das „Wilde Heer“ um. Auch das ein Anknüpfungspunkt an Karneval, das Fest der Masken, Dämonen und des Narren, der seit dem späten Mittelalter zur zentralen Karnevalsfigur wurde, die gel­tende Ordnung infragestellte und sich lustig machte über alles Vorherrschende.



Zum Martinstag gehört traditionell einabendliches Gans-Essen.  Die Gans war schon bei den Germanen ein beliebtes Haustier, das man zu rituellen und magischen Zwecken um die Zeit des heutigen Mar­tins­tages schlachtete. Wie es zum Namen „Martinsgans“ kam, erzählt die Martinslegende: Der Heilige Martin habe sich einst vor dem Volk, das ihn zum Bischof machen wollte, in ei­nem Gänsestall ver­steckt. Die Gänse verrieten ihn durch ihr Geschnatter. Zur Strafe ließ Martin sie schlachten.


St. Martin ist der Schutz-Patron vieler Städte, auch der Stadt Mainz, und er ist der Schutz­heilige der Bettler, Soldaten und Winzer. Er ist Patron der Trinker und Zecher, denn er selbst soll kein Verächter des Weins gewesen sein. Womit wir wieder beim Karneval wären.

 

Umzüge am 11. November erhalten, mit St. Martin auf dem Pferd und mit dem Nachspielen der Mantelteilung. Oder man zündet Martinsfeuer an, Anknüpfungen an heid­nische Opfer­feuer für eine gute Herbst­ernte. Martini galt traditionell als Winterbeginn und der 11.11. war früher das Datum für den Abschluss des Wirt­schafts­jah­res.  

 

Am Martinsabend tragen Kinder nach alter Sitte Laternen durch die Strassen und singen Martinslieder. Am Martinstag wurde früher auch das Vieh von der Weide geholt. Man schlachtete die er­sten Tiere, nicht nur, um sie selbst zu verspeisen. Sie wurden von den Bau­ern als Na­tu­ralien an ihre Grund­­herren abgegeben, denn am 11.11. dem Martinstag, wur­den traditionell Zins- und Pachtzahlungen fällig. Eben daraus entwickelte sich das alte Sprich­wort: „Sankt Martin ist ein harter Mann für den, der nicht bezahlen kann.“