Casanova Tanztheater von Ralf Rossa

© Bühnen Halle / Theater, Oper und Orchester GmbH, Fotos: Falk Wenzel



Mozart-Hommage als Casanova-Huldigung

"Casanova" Tanztheater von Ralf Rossa


Vergoldete Erinnerung an gelebte Freude zu  Mozart-Trockenbeerenauselese...

Premiere im Opernhaus Halle, 15. 04. 2016


Es gab in der Vergangenheit eine Fülle von Casanova-Filmen, -Opern, Operetten, -Revuen, -Schauspielen, -Musicals und -Balletten. Ralf Rossa, dem einfallsreichen Ballettchef in Halle ist zu dem altbekannten Thema des legendären Frauenverführers Casanova Neues eingefallen: Er hat eine Episode erfunden, an die sich der alte Casanova, an seinen Memoiren schreibend, erin-nert, und die er nicht in seine Autobiographie aufnehmen will. Es geht um die Liebesgeschichte mit einer geheimnisvollen Giulia Alberti, aber auch um die mit einer nicht wniger anziehenden Virginia Romano. Beide Frauen sind natürlich nicht frei. Es sind komplizierte, pikante Verhält-nisse. Und um diese herum erfindet Ralf Rossa den ganzen venezianischrn Casanova-Kosmos von Verführung und Rausch, Sinnenlust und verfeinertem Kitzel. Nonnen und Patrizier, Sitten-polizei und Priester, Kloster und Karneval vereinen sich da zu einer turbulenten Feier casanova-hafter Lebensfreude. Durchaus frivol, aber nie billig und weit weg von  allen falschen oder kitschi-gen Casanova-Klischees. Casanova der Weiberheld, der Frauenliebhaber und Frauen-versteher (um nicht zu sagen Frauenflüsterer) der er ja war,  wird als totaler Gegensatz zu Don Juan porträtiert. Aber es ist nicht nur ein sympathisches Porträt aus Wahrheit und Erfindung, das Rossa entwirft, ein Sittengemälde humaner Lebenskultur des 18. Jahrhunderts in warmen Farben, es ist vor allem die pure Lebensfreude, die Ralf Rossa in seinem neusten Tanztheaterabend körperhaft zum Ausdruck bringt


Die Bühne ist nichts als ein leerer, schwarzer Raum mit vier Gassen und Auftrittsmöglichkeiten auf jeder Seite. Goldgerahmte Türen gibt es und einen grossen Bilderrahmen auf der Rückwand. Dahinter verbirgt sich eine weitere Bühne. Theater auf dem Theater also. Matthias Hönig hat diesen Raum entworfen, ein Raum für getanztes Kopftheater, das Kopftheater Casanovas. Der ganze Raum ist überzogen mit Casanovas handschriftlichen Manuskriptseiten der "Geschichte m,eines Lebens". Der Raum symbolisiert gewissermassen die Schreibstube des alten Casanova, der als Bibliothekar des Grafen Waldstein auf Schloss Dux seinen Lebensabend verbrachte und dort seine faszinierenden Lebenserinnerungen niederschrieb. Und die werden in Halle zwei Stunden lang lebendig durch die noch immer überquellende Phantasie Ralf Rossas und den vitalen Zauber seiner Tänzer, durch raffiniertes Lichtspiel, Masken, wenige Requisiten und prächtige schwarzgoldene Kostüme, die Carla Caminati beigesteuert hat. Der Abend ist keine  karnevaleske Rokoko-Farborgie alla Veneziana, stattdessen eher so etwas wie eine traumhaft schwarze, strenge, aber vergoldete Erinnerung an gelebte Freude und erinnertes Glück. Das hat etwas Melancholisches, ist aber dennoch höchst vital und nicht ohne Witz und Ironie.

 

Die neunzehn Tänzer Rossas sind durch die Bank vorzüglich, man möchte keinen einzeln  her-vorheben, denn es ist gerade die Ensembleleistung, die den Abend so sportiv, turbulent, tänze-risch virtuos macht. Eine auf ihren Chef eingeschworene, gut eingespielte Truppe junger Tänzer. Die überzeugen, egal ob sie  klassisch oder modern auftreten, auf Spitze oder animalisch-expres-siv, ob sie Pirouetten drehen oder springen. Es wird aberwitzig kühn und viel gesprungen. Es gibt auch Anleihen beim Revuetheater. Rossa und seine Truppe brennen wieder einmal ein Tanzthea-ter-Feuerwerk ab, das vom Premierenpublikum heftig bejubelt und gefeiert wurde.


Last, but mot least: Die Musik des Abends stammt von Mozart. Es ist ein Mozart-Pasticcio, das der Dirigent David Heusel gemeinsam mit dem Choreographen Ralf Rossa zusammengestellt hat. Es geht mit der Don Giovanni-Ouvertüre los, dann folgen Tanzsätze, Sätze aus Sinfonien, Divertimenti, Nachtmusiken, auch Arien ohne Worte gibt es. Es ist, um es in einem kulina-rischen Bild zu sagen, eine exquisite Mozart-Trockenbeerenauslese. David Heusel hat sie exquisit dirigiert. Eine rundum beglückende Mozart-Hommage als Casanova-Huldigung, ein  sehens- und hörenswerter Abend, der Laune macht.



Rezension auch in MDR Figaro 16.04.2016