Zum Stachel, Würzburg


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"Zum Stachel" – Würzburgs ältestes Gasthaus


Würzburg war einst das Zentrum Mainfrankens, auf der Ost-Seite die mächtige fürstbischöfliche Residenz, auf der anderen Seite des Mains die Festung Marienberg, dazwischen die verwinkelte mittelalterliche Stadt mit ihren vielen Türmen der Stifts-, Kloster- und Pfarrkirchen. Würzburg war immer schon Mittelpunkt des Fränkischen Weinbaus, der dem Bürgertum Wohlstand bescherte.


Das Weinhaus "Zum Stachel" zeugt eindrucksvoll davon. "Der Bau, dessen älteste Teile aus dem 12. Jahrhundert stammen, war 1303 Teil des Anwesens des bischöflichen Kämmerers Marquartd Cresse und ist seit 1413 als Gasthof belegt." (Andreas Otto Weber)


Nirgendwo weht der Geist Würzburgs und seiner aufständischen Bürger heftiger als im Gasthaus „Zum Stachel“. Im Jahre 1525, während der der Bauernkriege, verbündeten sie sich mit den Bauern und hielten ihre konspirativen Sitzungen unter der Führung des „edlen“ Ritters Florian Geyer ab. Zum Zeichen für die verfolgten Gesinnungsgenossen, dass die Luft rein war, hing der Morgenstern, im Volksmund auch "Stachel" genannt, aus dem Fenster eines Erkers.


Restaurant und Weinhaus Stachel sind eine historische Sehenswürdigkeit und gelten als der älteste Gasthof Würzburgs. Erstmals urkundlich erwähnt wurde er im Jahre 1318 und seinen Namen erhielt er im 16. Jahrhundert. Anfang des 19. Jahrhunderts machte sich das Gasthaus einen Namen mit seiner Originalität und den herausragenden Kochkünsten der "Stachelwirte". Seit dieser Zeit haben diePächter allerdings mehrfach gewechselt und mit ihnen naturgemäß auch die kulinarische Qualität des Lokals. Es gab Zeiten, da war der kulinarische Ruf des „Stachel“ arg ramponiert.


Seit der Neueröffnung im Oktober 2013 steht das "Restaurant und Weinhaus zum Stachel" nun für „fränkische Gastronomie mit Pfiff“ und geht neue, durchaus erfolgversprechende Wege. Unter der Leitung von Rolf Schulz bereitet Chefkoch Fabian Koch mit seinem Küchenteam fränkische Köstlichkeiten (neu interpretiert) auf hohem Niveau zu. Um den Wein kümmert sich Restaurant-Leiter und Sommelier Heiko Wulff. Er gebietet über eine große Auswahl an erlesenen Fränkischen Weinen. Man rühmt sich, im „Stachel“, dass sie von den besten Terroirs der namhaftesten Winzer Frankens stammen, die ihre Reben auf Keuper-, Muschelkalk- und Buntsandsteinböden kultivieren. Es gibt aber auch Weine aus anderen Weinregionen Deutschlands.


Besonders die Florian Geyer-Stube mit ihren Mittelalter-Phantasien lädt zum Süffeln, Trinken, Saufen ein. Namensgeber ist der trinkfeste Florian Geyer von Giebelstadt, fränkischer Reichsritter, Truppenführer und Diplomat im Dienst des Markgrafen Albrecht von Brandenburg-Ansbach. Als Berater und Verhandlungsführer der Tauberbauern führte er Verhandlungen mit den Oberen. Sein Ziel im Kampf gegen das Landesfürstentum war eine auf Bauern- und Bürgertum gegründete Reichsreform sowie die Beseitigung der geistlichen und adligen Vorrechte.


Die Gaststuben, die bereits die Reichsritter Götz von Berlichingen und Florian Geyer sowie Tilman Riemenschneider beehrten, wurden Anfang des 19 Jahrhunderts vom bekannten Bildschnitzer Heinz Schiestl neu gestaltet. In einem Nebenraum hängt ein Geweihleuchter mit Lüsterweibchen.


Zwar wurde die Pracht des Gasthauses mit seiner Balkendecke, den bunten Glasbildern, den Butzenscheiben und seinen fränkischen Sprichwörter-Bemalungen bei dem verheerenden Bombenangriff im Zweiten Weltkrieg, am 16. März 1945,  ein Raub der Flammen. Doch blieb immerhin  so viel Substanz erhalten, dass das Anwesen originalgetreu rekonstruiert wurde, einschließlich der Schnitzereien und neugotischen Holzverzierungen.


Außerordentlich stimmungsvoll ist der „Hof zum Stachel." Ein malerischer Renaissance- Innenhof mitten in der Altstadt Würzburgs, fast wie eine romantische Opernkulisse anmutend, verwinkelt mit Loggia, Balkonen, Treppen und romanischen Bögen, umschlossen von zwei- und dreigeschossigen Häusern. Den Eingang bildet ein  Doppeltor. Von einem der Balkone aus, der über eine geschwungene Wendeltreppe aus Stein zu erreichen ist, hat man an einen besonders schönen Blick auf die pittoreske, wie verwunschen anmutende Komposition aus Fassaden, Treppen und (zum Teil hängenden) Pflanzen.


Die Speisekarte des „Stachels“ ist umfangreich. Der Fokus liegt natürlich auf regionalen, also fränkischen Gerichten, die sich allerdings Variationen der Tradition und Fremdeinflüsse gestatten. Hier eine Auswahl an Speisen: Gebratene Blutwurst mit Meerrettichschmand, gratinierter Ziegenkäse mit zweierlei Roten Beten und karamellisierten Walnüssen, Rinderfilet an einer Tatarsoße an Brioche-Toast und Butter, Kalbsconsommé mit Kräuterroulade, Rieslingcrèmesuppe mit Schwarzbrotcroûtons, für Veganer: Dreierlei Knödel in Edelpilzrahmsoße an Roten Beten, | Parmesan und| Spinat. Weiße Bohnen-Bratlinge auf roter Paprikasoße mit Kokos-Bacon, Lauchzwiebeln und Dill. Für Fleischesser: „Fränkisches Hochzeitsessen“ (Kalbstafelspitz in Meerrettichsoße, serviert mit Preiselbeeren und geschmelzten Bandnudeln), Fränkischer Sauerbraten vom Rind mit Kartoffelklößen und Blaukraut, Schweinebraten in Landbiersoße, serviert mit kleinem Salatteller und Kartoffelklößen, Wiener Schnitzel (vom Kalb), serviert mit Preiselbeeren und lauwarmen Kartoffelsalat sowie ,Zwiebelrostbraten vom Rumpsteak mit geschmolzenen Zwiebeln und Bratkartoffeln. An Fisch ist die frische Forelle »Müllerin-Art« mit gerösteten Mandelsplittern, Salzkartoffeln und zerlassener Butter sehr zu empfehlen.


Die Preise des gutbürgerlichen Traditionslokals rangieren übrigens in der mittleren Preiskategorie. Schön, dass der „Stachel“, der Patina angesetzt hatte, wieder glänzt.