Montserrat Caballé wird 85

Primadonna mit Mutterwitz: Montserrat Caballé zum 85sten


Sie wurde nach der Heiligen Jungfrau des Klosters Montserrat in Barcelona benannt, und sie ist eine der letzten großen Primadonnen: die katalanische Sopranistin Montserrat Caballé. Die einzige Primadonna vielleicht, die es an Popularität und Geschäftstüchtig-keit mit den drei Tenören aufnehmen kann. In den Sechziger- und Siebzigerjahren war sie eine gefeierte Belcanto-Sängerin auf den großen Bühnen der Welt. Seit Ende der Achtzigerjahre beschränkt sie sich mehr und mehr aufs Plattengeschäft und aufs Kon-zertpodium. Jetzt ist es still um sie geworden. Am Donnerstag, den 12. April feiert sie ihren 85sten Geburtstag.

 

Als Montserrat Caballé am 20. April 1965 an der Mailänder Scala zum ersten Mal die Titelpartie in Bellinis Oper „Norma“ sang, standen Publikum und Fachleute Kopf. Man sprach von einer zweiten Callas. "La Superba", die Unübertreffliche wurde sie fortan genannt. 

 

„Wissen Sie, das Etikett bleibt draussen vor meiner Türe, das hat  gar nichts mit mir zu tun.“

 

Opern-Talmi, Juwelen-Glanz und Primadonnentum gehören zwar zum vermarkteten Image der humorigen Sängerin, doch die warmherzige, rustikale Künstlerin ist keine Diva. Selbstbewusst bekennt sie sich zu ihrer Leibesfülle, sie zeigt viel Herz und immer wieder verblüfft ihr Mutterwitz. - Ihr Start in die Weltkarriere war steil. Von dem Mo-ment an, als sie 1965 für die erkrankte Sängerin Marilyn Horne in der New Yorker Carnegie Hall als „Lucrezia Borgia“ in der gleichnamigen Donizetti-Oper einsprang, war sie ein Star. Ihr Markenzeichen war eine phänomenale Piano- und Legatokultur, aber sie hatte auch ein unverwechselbares Timbre. Ihre profunde Gesangstechnik lernte Montserrat Caballé am Konservatorium des Liceo in Barcelona. Das Kind armer Eltern wurde gefördert von einer der reichsten Familien Barcelonas, um bei der ungarischen Gesangspädagogin Eugenia Kemeny zu studieren.

 

„Also sie sagte immer: Singen ist wie laufen, man muß ein gutes Depot haben und man muß wissen, wie man dieses Depot aufrechterhält,  so dass dass man immer noch Luft für die letzten 50 Meter hat.“

 

Ihr erstes Engagement fand die Caballé mit 23 in der Schweiz, sie sang zunächst kleinste Rollen am Stadttheater in Basel, bevor sie für eine Kollegin einspringen und große Par-tien singen durfte. Nebenher arbeitete sie als Serviermädchen, weil das Geld nicht reichte.

 

"Basel war wie ein Training, und dann konnte ich loslegen."

 

Nach drei sehr harten Lehrjahren in Basel ging Montserrat Caballé nach Bremen. Am dortigen Stadttheater erarbeitete sie sich einen Großteil ihres gesamten Repertoires, mit dem sie in Zukunft auf den Bühnen der Welt ihre Erfolge bestreiten sollte. Als Mont-serrat Caballé nach drei Jahren Bremen verließ, hatte sie sich bereits 42 Partien ange-eignet.

 

"Nach Bremen wusste ich, was ich wollte, was ich darf und was ich nicht darf, und mit diesr Erkenntnis konnte ich in die große Welt gehen.“

 

Die spanische Primadonna war geradezu süchtig nach Singen. Singen war für sie Aus-druck von Lebensfreude und hatte für sie immer auch etwas Erotisches:

 

„Wenn Du auf die Bühne gehst, Du gehst zu einem Geliebten“

 

55 Jahre stand die Caballé auf der Bühne. Insgesamt 90 Rollen beherrschte sie. Mehr als 4000 Auftritte verzeichnet ihre Karriere. Sie verkörperte neben Wagner-, Strauss-, Verdi- und Puccini-Rollen eine stattliche Anzahl von Bellini- und vor allem  zu ihrer Zeit nur noch selten gesungene bzw. noch nicht wieder entdeckte Donizetti-Partien.

 

„Belcanto ist mehr eine Expression auf einfache musikalische Linien. Es ist für mich eine Freude gewesen, viele Opern von Donizetti herauszubringen.“

 

Montserrat Caballè war über Jahrzehnte ein Kultstar. Leider sang sie zu lange und konnte nicht Abschied nehmen von ihrem Beruf. Die Zeit ihrer legendären Opernauftritte ist passé. Zuletzt beschränkte sie sich - gezeichnet von Krankheit und Alter - auf immer bescheidener werdende Konzertetourneen. - Berührungsängste mit Pop-Musik und kommerzieller Massenkultur hatte Montserrat Caballé übrigens nie. Deshalb sang sie gegen Ende ihrer Karriere immer auch für ein junges und nicht nur an Klassik interessiertes Publikum. Ihr gemeinsamer Auftritt  mit dem Rocksänger Freddy Mercury 1987 war sicher ihr spektakulärster:

 


Beitrag auch in MDR Kultur



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Photos: Bazzechi, Firenze