Christa Ludwig ist tot

Die legendäre Sängerin Christa Ludwig ist verstorben


Sie hatte eine der schönsten und vielseitigsten Mezzosopran-Stimmen ihrer Zeit. Sie war menschlich unkompliziert, eine noble Persönlichkeit und hatte ein unerschrockenes, immer  schlagfertiges Mundwerk. Vor allem aber war sie eine der führenden Sängerinnen ihres Fachs und stand fast ein halbes Jahrhundert auf der Bühne der Wiener Staatsoper, an der sie 43 Partien sang. 1994 hatte die Ludwig als Klytämnestra mit ihrem 769. Auftritt in der Wiener Staatsoper ihren Bühnenabschied genommen. Wien war immer ihr Zentrum.

Am 16. März 1928 wurde sie in Berlin geborenen. Am 24. April 2021 ist sie mit 93 Jahren in Klosterneuburg bei Wien gestorben, ein Weltstar der Oper. 

 

Und doch war Christa Ludwig nie eine Primadonna, auch wenn der ironische Titel ihrer 1994 erstmals erschienenen Autobiographie „... und ich wäre so gern Primadonna gewesen“ den Wunsch danach suggerierte. Sie war auf allen großen, um nicht zu sagen ersten Bühnen der Neuen und der Alten Welt zuhause, auch bei den bedeutendsten internationalen Opernfestspielen. Sie hatte mit den großen Dirigenten gearbeitet, mit Otto Klemperer  (unvergessen, nie wieder erreicht die Einspielung des "Lieds von der Erde mit Fritz Wunderlich) und Karl Böhm, Herbert von Karajan, Georg Solti und Leonard Bernstein, sie wurde umjubelt und feierte einen Triumph nach dem anderen. Und doch blieb sie immer ganz normal.


Sie war ein Naturtalent.  Ihre Stimme und ihre Musikalität wurden ihr gewissermaßen in die Wiege gelegt, denn sie war die Tochter des Sängerpaares Anton Ludwig und Eugenie Besalla. Von ihr erhielt sie Gesangsunterricht. Es war ihr einziger Gesangsunterricht.


Schon mit Siebzehn trat sie ihr erstes Engagement in Gießen an. Nach Frankfurt, Darmstadt und Hannover wurde sie 1955 an der Wiener Staatsoper engagiert, und von dort aus eroberte sie die internationale Opernwelt, sowohl als Mozart-, wie als Verdi-, Wagner- undRichard Strauss-Sängerin, aber auch als gefragte Konzert- und Liedinterpretin.


Christa Ludwig hatte alles, was man von einer Sängerin verlangt: Sie hatte eine kerngesunde, große, schöne, warme und ausdrucksfähige Stimme. Ihre Unmanieriertheit, die psychologisch hochintelligente Nuanciertheit ihrer Phrasierungen und absolute Wortverständlichkeit waren geradezu modellhaft. Sie hatte auch die Chuzpe, sich schon sehr jung auf die Bühne zu stellen, enorme Bereitschaft zu Fleiß, den festen Willen, sich nie unterkriegen zu lassen, immer Neues zu wagen und auszuprobieren, aber sich zu nichts ihrer Stimme Abträglichem überreden zu lassen.


Sie hat sich nie zu Partien überreden lassen, die für ihre Stimme abträglich gewesen wären. "Man muss mit der Stimme singen, die man hat, nicht mit der, die man gerne hätte," war ihre Devise. Sie sang ohne aufgesetztes Pathos, mit großer Natürlichkeit und scheinbarer Leichtigkeit. Und doch bekannte sie: Die Stimme seit nur ein Teil des Talents, „der Rest ist harte Arbeit.“  

 

Christa Ludwigs Repertoire umfasste die wichtigsten Alt- und Mezzosopranpartien von Mozart bis Bela Bartok, aber auch zahlreiche dramatische Sopranpartien. Zu ihren Glanzrollen zählen etwa die Marschallin im "Rosenkavalier" von Richard Strauss, die Kundry in Richard Wagners "Parsifal" ,die Leonore in Ludwig van Beethovens "Fidelio" oder Giuseppe Verdis Lady Macbeth. Daneben erwies sich Ludwig zunehmend als glänzende Liedinterpretin, insbesondere der romantischen und spätromantischen Werke von Schumann, Brahm, Hugo Wolf  und Mahler. Ihre Gesangskultur setzte Maßstäbe, Gottlob ist ihr ganzes Repertoire auf Tonträgern (CDs) dokumentiert. Inspiration für Generationen nachfolgender Sängerinnen und Sänger.


Im Vollbesitz ihrer Stimme trat sie ab und bekannte freimütig nach Ende ihrer Karriere:  "Sängerin möchte ich nie wieder sein!"  Der Abschied von der Bühne vom Sängerleben ist ihr nicht schwergefallen:  "Nein gar nicht, ich habe ja fast fünfzig Jahre gesungen.“ Das Motto der Marschallin aus dem Rosenkavalier war ihr Altersmotto, daher hat sie zu ihrem 90. Geburtstag den Titel der Neuausgabe ihrer Autobiographie abgeändert: „Leicht muss man sein, mit leichtem Herzen und leichten Händen, halten und nehmen, halten und lassen“, diese Worte der Marschallin hat sie mir auch bei einem denkwürdigen Interview mitgegeben, das in ein Kapitel meines Buches „Mythos Primadonna“ einging.


Bis zuletzt hatte sie sie ihren Berliner Witz und ihren trockenen Humor. Sie war eine gefragte Gesangspädagogin bei vielen Masterclasses. Aber sie nahm sich die Freiheit, die Sängerausbildung an den Hochschulen scharf zu kritisieren. Vor allem monierte sie, dass die heutigen Gesangsstudenten vor lauter Theorie die Praxis vernachlässigen und zu spät mit dem Singen beginnen und dann oft der Verlockung erliegen, am Beginn ihrer Laufbahn viel zu große Partien zu singen. Nun ist sie, "die Herrlichste von allen" von der Bühne des Lebens abgetreten.


Nachrufe auch im NDR,  bei Opern.news und Oper & Tanz

Ein ausführliches Interview gibt es in meinem Buch "Mythos Primadonna"