Madama Butterfly Puccini Stiehl Leipzig 2015

Photos: Kirsten Nijhof

Kontrollierte Extase - Bewegendes Drama

G. Puccinis: „Madama Butterfly“ an der Leipzig

 

In der Oper Leipzig hatte am 13. 03. 2015  Giacomo Puccinis Oper „Madama Butterfly“ Premiere. Der stellvertretende GMD Anthony Bramall hat die Oper einstudiert, Aaron Stiehl, der zuletzt mit großem Erfolg Wagners „Liebesverbot“ in Leipzig herausbrachte, hat inszeniert.


Die letzte Produktion der "Madama Butterfly" kam in Leipzig vor 12 Jahren heraus. Der damalige Intendant Henri Maier hatte zur Eröffnung seiner zweiten Spielzeit mutigerweise die selten gespiel-te Urfassung der Oper angesetzt.


In der jetzigen Neuproduktion in der Leipziger Oper spielte man die 1907  in Druck  gegebene, heute vorherrschende Spielfassung Puccinis. Zur Erinnerung, die Uraufführung der Oper an der Mailänder Scala im Jahre 1904 endete in einem beispiellosen Fiasko. Mehr als vier Fassungen erarbeitete Puccini bis zu seinem Lebensende. Durchgesetzt hat sich die Fassung von 1907.  Für Kenner ist die - übrigens von Joachim Herz 1978 wiederentdeckte und erstmals wieder aufgeführte - Urfassung mit ihrem dramturgisch wie musikalisch schärfer akzentuierten Profil nicht uninte-ressant, aber auch die üblicherweise gespielte Fassung ist ja keine schlechte und schließlich und endlich kommt es darauf an, was man mit ihr macht, also wie man sie interpretiert.


Aaron Stiehl hat das weitverbreitete Vorurteil widerlegt, es handele sich bei der "Butterfly" um eine verzuckert exotische, sentimentale Alltagstragödie einer jungen Frau, die mit ihrem Kind von ihrem Liebhaber sitzengelassen wird. Er zeigt unbarmherzig deutlich die gesellschaftskritische Tragödie eines neuzeitlich-imperialistischen Kulturkonflikts: USA contra Japan. Das ist sein Thema. Das ist das Thema der Oper. Und er stellt ungeschönt den sextouristischen Einbruch des abendländischen, männlichen Imperialismus in eine vom Untergang bedrohte, alte asiatische Kultur dar. Er zeigt "Madama Butterfly", die 15-jährige, verkaufte Geisha, sozusagen als umgekehrte Medea der Neu-zeit. Sie lässt sich vom amerikanischen Marineleutnant Pinkerton nicht gegen Geld ihr Kind ab-kaufen und sie tötet sich, als er sie fallen läßt.


Frank Schlößmann hat dieses Konzept in strenge, einfache Bildideen gefaßt, die einen Bogen span-nen  zwischen Uraufführungszeit und heute. Man sieht einen grünen amerikanischen Strassenkreu-zer auf der Drehbühne und ein Plakat der Skyline von New Yorkim Haus der Cio-Cio-San. Man sieht aber auch und vor allem traditionelles Fernost. Wobei mit der Inszenierung und Desillusio-nierung von Fernost gespielt wird. Im Zetrum der Bühne ein klassi-isches japanischen Haus mit Papierwänden im Cinemaskope-Breitwandformat. Sven Bindseil hat hinreißende Kostüme beige-steuert. Ein Augenfest, die Inszenierung. Gegen Ende der Tragödie gerät dieses Butterfly-Haus und in Schieflage und bricht schließlich entzwei.  Ein einleuchtendes, konsequentes Inszenierungs-Konzept. Aaron Stiehls Inszenierung macht deutlich, dass diese im Stück selbst ja unmißver-ständlich geäußerte Kritik am Imperialismus, am Materialismus und an der beginnenden Globalis-ierung Themen von heue sind und uns etwas angehen. Seine Inszenierung geht unter die Haut. Eine starke, eine aller Klischees ferne und sehr bewegende Inszenierung.


Aber auch musikalisch ist diese Produktion bewegend. Anthony Bramall, der ja ein sehr ana-lytischer Dirigent ist, hat der Oper alle falsche Süßlichkeit ausgetrieben, hat auch musikalisch alles Klischeehafte außen vor gelassen. Er läßt Puccini glasklar, absolut transparent musizieren. Selten hört man das Werk so straff, so spannend, so strukturell, um nicht zu sagen so „modern“ mit allen Vorgriffen schon auf „Turandot“. Das Gewandhausorchester folgt Bramall mit großer Präzision und Klangsinnlichkeit. Und bei allem Bemühen um Sachlichkeit läßt es Bramall doch auch nicht an Mut mangeln, die  mitreißende Emotionalität der Musik zuzulassen, aber eben ohne in Sentimen-talität zu ertrinken. Es ist kontrollierte Extase, der mein beiwohnt. Ein großer Abend, auch musikalisch!


Die Sänger waren durch die Bank vorzüglich, ob der Pinkerton von Gaston Rivero, die Suzuki von Susanne Gritschneder oder der Sharpless von Mathias Hausmann, um die Hauptpartien zu nennen. Aber vor allem die Interpretin der Titelpartie hat den Abend zu einem Ereignis werden lassen, das so manche Augen und Taschentücher näßte, auch meine. Die südkoreanische Sopranistin Karah Son singt die Partie der Cio-Cio-San mit makellosem,  klug geführtem, warmem Sopran. Sie ist auch darstellerisch ein Glücksfall, denn ihr ist die Attitüde der Asiatin mit den vielen kleinen, subti-len  Gesten und Blicken gewissermaßen im Blut.  Sie singt und spielt Madama Butterfly mit größter Expressivität und zugleich mit größter Natürlichkeit. Ein Glücksfall, diese Besetzung.  Eine großartige Aufführung. Diese „Butterfly“ sollte man sich nicht entgehen lassen.



Rezension in MDR Figaro 15.3.201