Klaus Guth: "Tristan" Züich 2008

Foto: Suzanne Schwiert / Oper Zürich

Fotos: Suzanne Schwiert / Oper Zürich


WESENDONCK-OPULENZ - VERRÄTSELT


Klaus Guth inszeniert Wagners "Tristan" in Zürich.

Premiere am 10.12.2008


"Tristan und Isolde" wäre ohne einen „Seitensprung“ nicht entstanden. Es war die Liebe zur Kauf-mannsgattin Mathilde Wesendonck, die den steckbrieflich gesuchten Dresdner Revolutionär Ri-chard Wagner, der ins schweizerische Exil geflüchtet war, zu seinem „Tristan“ inspiriert hatte.  Seinerseits eine der radikalsten Ehebruchsgeschichten des Abendlandes.


Die hochherrschaftlicheVilla Wesendonck in Zürich war der Entstehungsort des Musikdramas „Tristan und Isolde“ und der Ort, an dem Richard Wagner seine Gattin Minna mit Mathilde, der Gattin seines Zürcher Mäzens „betrog“. Ob nur seelisch oder auch körperlich sei dahingestellt.Was zum  Eklat führte. Nicht ganz so dramatisch  wie in der Oper, die im Grunde den persönlichen Wagnerschen Lebenskonflikt spiegelt. Was hier nicht zum ersten Mal auf der Bühne mitreflektiert wird.


Klaus Guth ist angetreten, diesen entstehungsgeschichtlichen Bezug und das gesellschaftliche Umfeld der 1850er-Jahre in der Handlung des Stücks zu spiegeln in seiner Zürcher Wagner-Neuinszenierung. Tatsächlich zeigt er in opulenten, realistischen Bühnenbildern auf permanent sich verwandelnder Drehbühne immer neue Innenräume und Aussenansichten einer imaginären Zürcher „Villa Wesendonck“, in denen er die Dreiecksgeschichte Tristan, Isolde, Marke spielt.


Die Villa mit Speisesaal, Schlafzimmer, Wintergarten und Herrenzimmer wird zum Treibhaus der Gefühle. Kaleidoskopartig reiht Guth Zustände gesellschaftlicher Erstarrtheit, Einsamkeit, Öffent-lichkeit und Privatheit aneinander. Neun Personen werden durch ständig sich drehende, immer neu sich öffnende Räume gejagt (wenn auch in Zeitlupe) und singen und spielen „Tristan und Isolde“, nur eben in Kostümen der Wagnerzeit.


Die angekündigte lebensgeschichtliche Verquickung Wagners mit dem Inhalt des Musikdramas wird  allerdings nicht wirklich erkenntlich in der technisch virtuosen, aber von der Personenfüh-rung her eher langweiligen, zudem psychologisch verrätselten Inszenierung à la Ibsen oder Strindberg.


Es passiert nichts Spektakuläres in diesem „Tristan“. Isoldes Seefahrt ist bei Guth eine Phantas-magorie zweier Frauen im Ehebett. Isolde und Brangäne werden als Doppelgängerinnen gezeigt: Ich und Überich der verschacherten Königstochter. Die Liebesnacht Isoldes und Tristans gerinnt zur Plauderei in lebenden Bildern einer Soirée im Hause des Herrn Kommerzienrats. Der dritte Akt spielt vor inzwischen abgeblätterter Fassade des Eingangs der Villa. Tristan und sein Freund Kurwenal sind zu biersaufenden Clochards mutiert.


Den Fieberwahn Tristans zeigt Guth als billige Säufer-Halluzination. Zum Quasi-„Liebestod“ finden sich Tristan und Isolde dann wieder im Speisesaal ein. Man verströmt sein Leben auf der festlich gedeckten, herrschaftlichen Tafel, erst Tristan, dann, neben ihm und über ihm Isolde. Erklärt wird dieser Liebestod nicht, obwohl doch bei ihm der Regisseur Farbe bekennen müsste.


Nein, spektakulär ist diese Inszenierung nicht, eher enttäuschend. Spektakulär ist allenfalls die Isolde von Nina Stemme. Sie singt eine fulminante Isolde von derzeit konkurrenzloser Hoch-dramatik in dieser Partie. Und sie spielt eine der schönsten Isolden, nicht zuletzt dank der schönen Kostüme von Christian Schmidt, der auch die schönen Bilder der Inszenierung verantwortet. Trotz aller Schönheit – sie allein macht noch keine packende Inszenierung – verließ das Premierenpub-likum schon in den Pausen scharenweise das Zürcher Opernhaus, zumal außer Nina Stemme als Isolde nur ein durchschnittliches Ensemble zu hören war. Michelle Breedt als Brangäne war nicht eben der pure Schönklang. Für den war eher Martin Gantner als Kurwenal zuständig. Alfred Muff als König Marke sang grenzwertig. Ian Storeys Tristan hatte die Grenze des gesanglich Zumut-baren – wie schon vor einem Jahr bei Barenboim und Chéreau an der Mailänder Scala – bereits weit überschritten.


Auch Ingo Metzmachers ernüchterndes, so unsicheres wie unsauberes Dirigat mit seinen willkür-lichen Tempi und Mätzchen trieb dem „Opus metaphysicum“, wie Nietzsche die Oper nannte, leider jegliche Metaphysik aus. Es war ein entzauberter „Tristan“, musikalisch wie inszenatorisch . Schade, eine vertane Chance.


 


SWR2 Journal/Bayern 4 Klassik