Mythos Primadonna.
25 Diven widerlegen ein Klischee
Gespräche mit großen Sängerinnen.
312 S., Parthas Verlag 1999
Fünfundzwanzig ausgewählte, individuell sehr verschieden Diven, Sängerinnen, "Primadonnen" aus drei Generationen widerlegen in ernsthaften, nachdenklichen, aber auch amüsanten, in jedem Fall sehr persönlichen Gesprächen das Klischee von der erfolgreichen Sängerin und strafen den Mythos "Primadonna" Lügen. Zugleich werfen sie kritische Seitenblicke auf den heutigen Musikbetrieb sowie die in die Krise geratene Gesangskunst. Es sind fünfundzwanzig Gespräche über Kunst und Kommerz, Kultur und Gesang, aber auch über Politik, Menschliches und Allzumenschliches.
Es kommen zu Wort: Hildegard Behrens, Inge Borkh, Montserrat Caballe, Helga Dernesch, Brigitte Fassbaender, Mirella Freni, Edita Gruberova, Jane Henschel, Sena Jurinac, Vesselina Kasarova, Felicity Lott, Christa Ludwig, Martha Mödl, Birgit Nilsson, Magda Olivero, Leonie Rysanek, Anny Schlemm, Gabriele Schnaut, Elisabeth Schwarzkopf, Renata Scotto, Anja Silja, Elisabeth Söderström, Violeta Urmana, Julia Varady, Astrid Varnay.
Eine Primadonna ist auch nur ein Mensch. Was wir ahnen, offenbaren die Gespräche, die Dieter David Scholz in seinem Band "Mythos Primadonna" zusammengefasst hat. Sie erlauben wunderbare Begegnungen mit Frauen, die eine große Rolle gespielt haben oder spielen. Die wenigsten bezeichneten sich selber als Primadonna. Die wenigsten zeigen, wenn man diese Gespräche für das nehmen darf, was sie sind: Einblicke in einen Beruf und in ein Leben, die Allüren einer Primadonna. Es macht große Freude, Sängerinnen zu begegnen, die man selber schon gehört, ja erlebt hat. Die Einblicke in den anspruchsvollen Beruf, aber auch die recht unterschiedlichen Zugangsweisen und Formen seiner Ausführung sind interessant.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.10.1999, Nr. 237 / Seite L22
Rezension: Sachbuch Arie ohne Atem
Galatopoulos lernte Maria Callas 1947 als "La Gioconda" in Verona kennen und traf sie im Abstand von Jahren immer wieder bis kurz vor ihrem Tode. Ob die Interviews auch auf Tonband mitgeschnitten wurden, wird nicht mitgeteilt. Allerdings tauchen auch Zitate anderer Zeitzeugen oder bekannte Callas-Zitate wie die aus dem Fernsehinterview mit David Frost (aus dem Jahr 1970) ohne Nachweis auf. So bleibt offen, ob die in Ich-Form und wörtlicher Rede gehaltenen, im Kapitel "Finale" sogar Seiten füllenden Passagen des Buches tatsächlich O-Töne im dokumentarischen Sinne sind, oder aber Gedächtnisprotokolle, vom Autor nach der Erinnerung frei paraphrasiert. Sollte letzteres zutreffen, dann weiß man nicht, was man mehr bewundern soll: Galatopoulos' Gedächtnis - oder seine dichterischen Gaben. Ja, der Leser fühlt sich zuweilen wie im Kino, so hautnah dabei: "Bewegt von ihren Erinnerungen, lächelte Maria liebevoll und sagte ruhig: ,So war es.' Dann warf sie einen Blick auf die Uhr, und ich wusste, es war Zeit zu gehen."
Was die Callas durch den Mund ihres Biographen über sich und ihre Kunst zu sagen hat, ist weder neu noch besonders aufschlussreich. Sie spricht Versöhnliches über Onassis und Jackie, Nettigkeiten über die Arbeit mit Tullio Serafin, über Bühnenproben, Belcanto und einzelne Rollenporträts: Violetta ist am Ende geläutert, Norma eine edle Gestalt und so weiter. Manches klingt wolkig bis unbedarft: "Die gesamte italienische Musik bewegt sich immer fließend, ganz gleich, wie langsam der Rhythmus ist." Nun sind allerdings große Künstler, vor allem Musiker, insbesondere Sänger, nicht immer auch große Virtuosen der Selbsteinschätzung. Das gilt genauso gut für die Scholz'schen Interviews, die durchaus marmoriert sind von Eitelkeiten, Selbststilisierung und holdem Wahn. Und dennoch: Was diese Sängerinnen in all den Fällen, wo es konkret um das Handwerk des Singens geht, zu sagen haben, aber auch, was sie in summa wissen über die mörderischen Mängel des heutigen Opernbetriebs, das hat eine Detaildichte, die bei Galatopoulos fehlt.
Warum hat der Wunschbiograph so lange damit gewartet, sein Exklusivmaterial zu veröffentlichen? Galatopoulos schreibt im Vorwort, dass er das Buch "reifen" lassen wollte: Erst nach dem Tod der Diva "entwickelte sich meine Beziehung zu ihr, oder, genauer gesagt, meine Erinnerung an sie". Schöner kann man nicht in Worte kleiden, wie Legenden entstehen. Diese Biographie ist vielleicht überflüssig, aber schön anzuschauen: Ein zwei Kilo schweres, prächtig illustriertes Fanzine.
Stelios Galatopoulos: "Maria Callas. Die Biographie". Aus dem Englischen übersetzt von Manfred Ohl und Hans Sartorius. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1999. 574 S., geb., 88,- DM.
Dieter David Scholz: "Mythos Primadonna. Gespräche mit großen Sängerinnen". Parthas Verlag, Berlin 1999. 312 S., geb., 58,- DM.
Inhaltsverzeichnis (alle Titel sind Originalzitate der Sängerinnen)
Primadonna, Diva, Sängerin.
Plädoyer wider den Mythos
Ein Essay statt eines Vorworts
Hildegard Behrens - Wie eine Flamme
Inge Borkh - Meine Heimat ist die Welt
Montserrat Caballé - Diese dicke Frau ist für alle da
Helga Dernesch - Erst wird man gebraucht, dann weggeworfen
Brigitte Fassbaender - Vollweiber und Hosenrollen, wie Psychoanalyse
Mirella Freni - Nicht nur Noten: Singen ist Glück
Edita Gruberova - Ich lasse mich nicht verführen!
Jane Henschel - Abstand halten! Wir sind auch nur Menschen
Sena Jurinac - Nicht mehr als drei Schnitzel pro Tag
Vesselina Kasarova - Gut oder schlecht, ganz einfach 1
Felicity Lott - Ist Vielseitigkeit erstrebenswert?
Christa Ludwig - Opfern für den Schönklang
Martha Mödl - Gefühl oder die Angst vor der Stille
Birgit Nilsson - Mit den Füßen auf dem Boden bleiben
Magda Olivero - Schönes zustande bringen, heißt kämpfen
Leonie Rysanek - Vissi d'arte, vissi d'amore
Anny Schlemm - Es gibt keine kleinen Partien
Gabriele Schnaut - Wir sind die Brauereigäule
Elisabeth Schwarzkopf - Musik ist eine heilige Kunst
Renata Scotto - Singen verpflichtet zur Wahrheit
Anja Silja - Im Blick zurück: Taten sind entscheidend!
Elisabeth Söderström - Musik findet immer einen Weg
Violeta Urmana - Was man nicht schafft, muß man sein lassen!
Julia Varady - Mit Volldampf! Eine schöne Stimme allein reicht nicht
Astrid Varnay - Tu nichts, das nicht etwas bedeutet!
Biographische und diskographische Anmerkungen
Zu den Fotos
Personenregister