Edita Gruberova

Edita Gruberova, die bedeutendste Koloratursopranistin unserer Zeit ist tot


1976 sang Edita Gruberova in der Wiener Staatsoper zum ersten Mal die Zerbinetta in Richard Straussens „Ariadne auf Naxos“. Das Publikum hielt den Atem an. In Wien sprachen selbst die Taxifahrer von einer Sensation. Marcel Prawy, der legendäre Chefdramaturg der Wiener Staatsoper hat einmal gesagt: Edita Gruberova gehört zu den größten Phänomenen in der Weltgeschichte des Operngesangs. Wer wollte ihm widersprechen. Über Nacht war ein neuer Opernstar geboren. Es war der Startschuss zu einer internationalen Karriere. Sie galt als „Königin der Koloratur“, auch wurde sie „slawische Nachtigall“ genannt.

 

Alles begann am 18. Februar 1968.  Edita Gruberova debütierte als Rosina in Rossinis "Il Barbiere di Siviglia" am Nationaltheater von Bratislava. Da war sie 21 und hatte den Beginn ihrer großen, internationalen Karriere noch vor sich. Geboren wurde sie am 23. Dezember 1946 im slowakischen Rača, etwa zehn Kilometer nordöstlich von Bratislava als Tochter einer gebürtigen Ungarin und eines Vaters deutscher Herkunft. Sie war, wie sie selbst gern bekennt, ein echtes Monarchieprodukt, denn sie wuchs mehrsprachig auf, spricht perfekt Deutsch, fließend Ungarisch, ausgezeichnet Italienisch, neben Englisch, Französisch und Russisch. Das Arbeiterkind war allerdings kränklich, scheu und schüchtern, aber hochmusikalisch. Und begabt mit einer ordentliche Portion Komik.

 

Schon in der Schule sang sie, im Rundfunkkinderchor, dann ließ sie ihre Stimme schließlich auf Zureden des Pfarrers ihres Heimatortes ausbilden und studierte am Konservatorium in Bratislava. Sie kam aus schwierigen und armen familiären und materiellen Verhältnissen. Der Vater war Trinker, Geld war knapp. Aber Edita Gruberova schaffte es, nicht nur durch ihr Ausnahmetalent, sondern durch eiserne Disziplin in drei Jahren als Sängerin eines kleinen mittelslowakischen Theaters ein Engagement an der Wiener Staatsoper zu erlangen. Ihr Credo: „Ohne das Üben, das tägliche, geht´s nicht.“  

 

Als Königin der Nacht betrat Edita Gruberova erstmals 1970 die Bühne der Wiener Staatsoper. Mozarts Königin wurde eine ihrer Schicksalspartien. Wie Verdis "La Traviata" und die Zerbinetta in Straussens "Ariadne auf Naxos, in  der sie 1973 debütierte und die sie 1976 in einer Neuinszenierung mit überwältigendem Erfolg an der Wiener Staatsoper sang. Mit der Zerbinetta gelang ihr der ganz große Durchbruch zum erfolgverwöhnten Weltstar. Nachdem, sie jahrelang nur kleinste Partien singen durfte. Seither ist Edita Gruberova auf den renommiertesten Opernbühnen der Welt zu Gast gewesen, nicht ohne berufliche wie private Rückschläge und. Ohne Ihre große Ernsthaftigkeit, die enorme Professionalität, Fleiß und selbstbewusstes Auftreten der Sängerin gegenüber Agenten, Intendanten und Regisseuren hätte sie diese Weltkarriere nicht gemacht. 

 


Ihre phänomenale Technik hat Edita Gruberova hat zuerst bei Maria Medvecká gelernt, dann bei Ruthilde Boesch verbessert und sich schließlich hat sie sich bei Gudrun Ayasse den letzten Schliff geholt. Die Gesangstechnik der Gruberova war phänomenal. Sie war mehr als nur ein hochvirtuoser Zwitscherautomat. Ihre Stimme war "eine Sopranstimme im perfekten Vordersitz, obertonreich, höhenstark, dazu extrem flexibel, perfekt fokussiert und stabil, mit einer Projektionskraft, die Töne unforciert bis in die letzte Galeriereihe" strahlen zu lasse, wie Markus Thiel, der Biograph der Sängerin zurecht schreibt. Eine Jahrhundertstimme.

 

Seit Edita Gruberova 1978 ihre erste Wiener Lucia die Lammermoor sang, beschritt sie endgültig den Weg von der Koloratursopranistin zur Belcantosängerin.  Sie war auch Firmengründerin, denn aus Frustration über die Launen und Marktgesetze der Schallplattenindustrie hat sie ihr eigenes CD-Label gegründete: Nightingale. Sie war in jeder Hinsicht eine Ausnahme-Primadonna: eine künstlerisch äußerst gewissenhafte, pflicht- wie selbstbewusste Singdarstellerin, demütig gegenüber der Musik, zuverlässig und menschlich undivenhaft. Mit technischer Brillianz, Makellosigkeit der Tonbildung und stupendem, subtilem Gestaltungs- wie Ausdrucksvermögen riss sie ihr Publikum zu Begeisterungsstürmen hin, ob als Norma (mit der sie allerdings erst 2003 in der von Bellini ursprünglich vorgesehenen G-Dur-Tonart debütierte), Lucia di Lammermoor, Gilda, Zerbinetta, Konstanze oder Donna Anna. Die großen Donizetti- wie Bellinipartien (zum Beispiel Maria Stuarda, Beatrice di Tenda, La Straniera, Anna Bolena, Roberto Devereux oder Linda di Chamouunix) wurden ihre Leidenschaft- so wie die großen Opernhäuser ihr Zuhause wurden: Die Wiener Staatsoper, das Opernhaus Zürich, die Münchner Nationaltheater, Covent Garden oder die Mailänder Scala.

 

 

Zum Geheimnis ihres langen Singens und ihrer bis zum Schluss unverbrauchten Stimme gehört neben der klugen Beschränkung auf das ihrer Stimme gemäße Fach und die Zahl der Aufführungen auch der richtige Umgang mit den richtigen Gesangspartien zur richtigen Zeit. Ihre Karriere lief - verglichen mit heute - langsam an. Sie wurde nicht früh verheizt. 

 

Am 27. März 2019 stand sie zum letzten Mal in einer Opern-Inszenierung auf der Bühne. An der Bayerischen Staatsoper gab sie die Königin Elisabetta in Donizettis „Roberto Devereux“. Der Beifall währte fünfzig Minuten. Im folgenden Jahr Ihr Karriereende bekannt. Am 18. Oktober 2021 starb sie im Alter von 74 Jahren in Zürich Sie bleibt als sängerische Jahrhunderterscheinung in Erinnerung. Gottlob hat sie viele Tondokumente ihrer phänomenalen Stimme hinterlassen.


Nachruf auch in Oper & Tanz