Herheims Berliner Rheingold

Foto: Bernd Uhlig/Deutsche Oper Berlin



Szenisch ein Kessel Buntes,

musikalisch alles andere als aufregend


Stefan Herheims „Rheingold“ an der Deutschen Oper Berlin

 

Aufgrund pandemiebedingter Schließungen wurde mit der „Walküre“ im vergangenen September zunächst mit Teil zwei der Wagner-Saga szenisch ein bereits recht enttäuschender „Ring“-Auftakte geboten.

 

Nun also der nachgeholte „Vorabend“ szenisch, auch wenn jeder zweite Platz frei gehalten wurde in der Deutschen Oper Berlin. Es ist eine alles in allem musikalisch gepflegt-langweilige Produktion, in der Musikchef Donald Runnicles auf träge Tempi und einen kantenfreien, romantisch-braven, in keiner Weise aufregenden Wagner setzt. Nebenbei gesagt: die elektroakustisch imitierten Amboss-Nummern bei Abstieg nach und Aufstieg aus Nibelheim sind klanglich eine Peinlichkeit.


Sängerisch ist dieses "Rheingold" akzeptabel auf hohem Niveau besetzt, wenn auch großenteils wortunverständlich (aber das ist ein grundsätzliches Problem heutigen Singens). Markus Brück bekommt trotz der regielichen Kasperliaden, zu denen er seitens der Regie genötigt wurde, heftigen Schlussapplaus Sein Alberich ist eine beachtliche sängerische Leistung. Die Urmutter Erda der Judit Kutasi ist nicht schlecht, aber auch sie hat man schon sehr viel eindrucksvoller und pointierter gehört. Der Wotan von Derek Welton ist verhältnismäßig jung, aber der auch in der Höhe gute Bassbariton singt außergewöhnlich präzise, wortverständlich (!) und sängerisch klug gestaltend.  Auch Loge alias Thomas Blondelle besticht durch Diktion und tenorale Gestaltung. Jacquelyn Stucker ist eine warm und hell sopranig flirrende Freia. Die Rheintöchter (Valeriia Savinskaia, Irene Roberts, und Karis Tucker) überzeugen als homogenes Gesangs-Trio. Ordentlich singen Tomas Lehmann als Donner und Ya-Chung Huang als Mime, auch die Riesen von Andrew Harris und Tobias Kehrer überzeugen, allerdings nur stimmlich.  Am Lautesten und mit stürmischstem Beifall bedacht wurde Annika Schlicht als Fricka. Man verstand allerdings kaum ein Wort von Ihr.  Weder Publikum, Sänger noch Dirigenten wissen offenbar noch, dass Wagner Wortverständlichkeit wichtiger war als Lautstärke!


Szenisch dominieren die Inszenierung ein Flügel, Koffer und Menschengewusel des 20. Jahrhunderts in Straßenkleidern (Flüchtende, Koffertragende), aus dem die Rheintöchter unspektakulär heraustreten (ihre Neckereien und Verführungskünste des albernen Alberich zeugen von mittlerweile unglaubwürdigem, regielichem Ungeschick). Und wieder wohnt man einer Unterwäscherevue bei (wie oft muss man das noch ertragen?). Die allgegenwärtigen Darsteller haben sich immer wieder auszuziehen. Es gibt viele verbrauchten Regie-Ideen, die am meisten abgenutzte ist die vom Auf- und Abtreten aus dem Konzertflügel (wie oft hat man das schon gesehen). Auch gibt es wieder mal reichlich Gefummele und Gepimpere. Geradezu absurd und ärgerlich sind die Naziaufmärsche des „nächtlichen Heers“ mit Stahlhelmen und im Stechschritt), Hitlergruß zeigend. Immer wieder aufwendige Stoffbahn-Raffungen, Wieland-Wagner-Anleihen und peinliche Projektionen. 


Dieses "Rheingold" von Stefan Herheim in der Deutschen Oper Berlin ist aber vor allem, wie schon die „Walküre“ eine Apotheose der Koffer und Kofferberge. Ein Tohuwabohu der Regie, die Mime als Wagner persönlich (mit Barett) zeigt, nur warum in blau-weiß gestreiftem Habit wie ein KZ-Insasse? Loge tritt auf wie Mephisto, Alberich als Clown. Urmutter Erda darf als Suffragette, Gouvernante oder was auch immer spießig gekleidet mit dem Klavierauszug in der Hand aus dem Souffleurkasten auf- und abtreten. Überhaupt wird der Werkcharakter, das Notenwerk also immer wieder betont, wie auch das Spiel nach dem Motto: Wir spielen Rheingold.  Das Requisit des Rheingolds mutiert zur vergoldeten Trompete. Ach Gott, ja: „Die Geburt des Dramas aus dem Geist der Musik“… Aber warum fuchtelt Alberich nur so oft mit einem Handspiegel herum? Seine Verwandlung in einen „Riesenwurm“ wird als Anwachsen seines offenbar enormen Gliedes symbolisch angedeutet,  er zeigt es prahlerisch Wotan und Loge mit dem Rücken zum Publikum.


Es ist ein krauser, überfrachteter Abend von Assoziationen. Analogien, optischen Zitaten, Symbolen (Freies Brüste sind zwei Goldene Äpfel) und Anleihen, das die Inszenierung bestimmt. Beherrschend immer wieder Stoffmassen, die um Menschenleiber gewickelt, hochgezogen zum runden (Wieland Wagnerschen) Projektionshorizont, gerafft zu Gebirgen, Gewässer, ja Stamm und Blätterkrone des Walkürenbaumes. 


Die Auslöse Freias (im Konzertflügel liegend) mit allerhand Plunder aus Gold, darunter sogar ein Kruzifix und eine Menora, ist ebenso absurd wie so manches andere  dieser Inszenierung, in der es auch allerlei Vorausblicke gibt. Wotan beispielsweise rammt das Schwert Siegmunds in den Flügel, aus dem Brünnhilde es im nächsten Teil der Tetralogie herausziehen wird.


Am Eindrucksvollsten ist die Regenbogenbrücke am Ende der Aufführung, ein technisches Meisterstück, wie sich beleuchteter Stoff in treppenartige Architektur verwandelt und Göttern erlaubt, gen Bühnenhimmel zu steigen. Ansonsten ein langweiliges Durcheinander!


Die Premiere wurde zwar vom Publikum gefeiert, aber es gab unüberhörbare Buhs.