Das Schlaue Füchslein Robert Carsen Strassburg

Photos: Klara Beck

Opéra National du Rhin

Feier des Lebens, Werdens und Vergehens

Robert Carsens großartige Inszenierung von Leos Janáčeks 

"Das schlaue Füchslein" an der Opéra National du Rhin in Strasbourg

Premiere 11.12. 2016

Ein Förster, eine Füchsin und der Wald. Darum geht es in einer seiner erstaunlichsten und schön-sten Opern Leoš Janáčes. Er schrieb sie mit 70 Jahren. Uraufgeführt wurde sie 1924 in Brünn. Was auf den ersten Blick aussieht wie eine einfache Tierfabel, wwar doch eigentlich eine Parabel über das Geheimnis des Lebens. Tiere fangen an zu sprechen und benehmen sich wie Menschen, die Menschen wiederum ähneln den Tieren.  Ein Traumspiel über Jugend und Alter, Geburt und Tod, Mensch und Tier, die gleichermassen Repräsentanten des Lebendigen sind.  Die junge Füchsin wird schließlich zur Projektionsfläche der unerfüllten Sehnsüchte eines alten Försters.


Immer wieder wird "Das schlaue Füchslein" als trauriger Abgesang auf die unwiderbringliche Ero-tik der Jugend gezeigt. In der Inszenierung des kanadischen Regisseurs Robert Carsen - er brachte das Stück vor einigen Jahren schon einmal in Strassburg heraus, bevor es als Koproduktion auf Reisen ging - wohnt man allerdings keinem erotischen Altherrenstück bei, eher einer fröhlichen Feier des Lebens, des Werdens und Vergehens. Die Natur spielt in diesem panerotischen Gleichnis die Hauptrolle. Carsens Bühnen- und Kostümbildner Gideon Davey zeigt in seiner neusten Version keine Kleiderberge, sondern stattdessen eine Hügellanschaft mit Herbstlaub bedeckt, verschneit und frühlingsgrün. Man erlebt den Wechsel der Jahreszeiten. Eigentlich spielt die Oper im Wald. Aber bei Carsen kein Baum, nirgends. Und doch glaubt man sich  dank der beeindruckenden Lichtregie Carsens und Peter Van Praets, von einem fortwährenden Waldweben umgeben. Dieses Inszenierung ist noch poetischer als die vorausgegangene Version Carsens.


Es ist eine reine, schlichte Naturlandschaft, die Carsen in Strassburg zeigt. Des Försters Anwesen oder das Wirtshaus werden nur angedeutet. Eine Hügelszenerie beherrscht zwar die Bühne, aber Bühnenrückwand und Bühnenmaschinerie sind immer sichtbar. Alles ist Theater. Und die Tiere sind eigentlich Menschen. Sie sind zeitlos, nicht verortet. Carsen vermeidet alle böhmische Folk-lore und märchenhafte kindliche Tiermasken und Kostüme. Er inszeniert, choreografiert und illu-striert Janáceks Altersoper als vitalen Sommernachtstraum, als beinahe bacchantisches Ritual archaischer Menschen im Outfit fuchsroter Farben, mit nur ironisch angedeuteteten Tierattributen. Ein anrührendes Spiel über den Kreislauf der Natur, das weit über eine schlichte Tierfabel hinausgeht.


Auch sängerisch ist die Strassburger Produktion hervorragend. Keine Stimme aus dem großen En-semble enttäuscht. Elena Tsallagova als Füchsin, Sophie Marilley als Fuchs und Oliver Zwarg als Oberförster stechen aus dem 16-köpfigen Solistenensemble hervor. Hut ab vor auch vor Chor und Kinderchor der Rheinoper, die nicht nur vorzüglich singen, sondern auch aufs Natürlichste  herum-tollen. Das Orchestre Philharmonique de Strasbourg spielt klangschön und präzise, nur kamen  die tonalen Mikrostrukturen und motivischen Raffinessen der Partitur in Anthony Hermus hemdsär-mlig-scherenschnitthaftem Dirigat zu kurz. Trotz der Vordergründigkeit des Dirigats versagte die Musik Janáčeks aber nicht ihre bewegende Wirkung.


Die Janáček-Inszenierungen Robert Carsens gehören zu den Glanzstücken der Strassburger Rhein-oper. Einen ganzen Zyklus hat er hier inszeniert. Generalintendant Marc Clémeur hat den Regis-seur in Antwerpen, wo Clemeur 16 Jahre lang als Intendant tätig war, bevor in gleicher Funktion nach Strassburg ging, entdeckt, hat ihn aufgebaut und ihm zu seiner Weltkarriere verholfen. Nach acht Jahren wird Marc Clemeur nun die Strassburger Rheinoper nach dieser Spielzeit verlassen. Er wollte  zumal in Zeiten knapperer Kassen – passend zur Weihnachtszeit - seine Vorzeigeproduk-tion noch einmal auf die Bühne zurückholen.  Zuletzt zeigte man das Repertoire-Schmuckstück in Lille. Gestern abend kehrte es im Triumph nach Strassburg zurück. Das Publikum jubelte.


Straßburg hat das jüngste Publikum in Europas Opernhäusern. 30 Prozent der Zuschauer sind unter 26 Jahren alt. Der Belgier Marc Clémeur hinterlässt ein äußerst erfolgreich geführtes Haus. Er hat viel Publikum aus  Nachbarländern angezogen und kann stolz sein auf eine 90-prozentige Platz-auslastung. Während man sich mit Janáček  selbst an führenden deutschen Opernhäusern schwer tut, war die gestrige Premiere in der Strassburger Rheinoper ausverkauft. 


Beitrag auch im DLF, Musikjournal am 12.12. 2016