Das Pariser Bataclan

Bataclan, zur Erinnerung an eine Ikone der Pariser Musiktradition,

aus traurigem Anlass 

 

Durch die schrecklichen Terroranschläge am 13. November 2015 ist es in die Schlagzeilen ge-kommen, das Pariser „Bataclan“. Aber wer weiß noch, dass es - nicht zufällig - nach einer Opéra bouffe gleichen Namens von Jacques Offenbach benannt ist? 

 

Jacques Offenbach eröffnete am 29. Dezember 1855 sein zweites Pariser Theater, ein ehema-liges Zauber- und Kindertheater, das er zu seinem neuen winterfesten Haus der Bouffes-Pari-siens machte. Zur Eröffnung gab es die Erstaufführung der musikalischen Chinoiserie "Ba-Ta-Clan". Sie spielt am Hofe des Chine­sen­königs Fe-ni-han. Eine rhythmisch mitreißende, exo-tisch eingefärbte Karikatur des Pariser Lebens wie des nach China verlegten Hofes. Aber nicht nur Napoleon wird verspottet, auch Giacomo Meyerbeer, der König nicht nur der Pariser, son-dern der Opernwelt ganz Europas. Offenbach parodiert in "Bataclan" das Gebet der zum Tode Verurteilten aus Meyerbeers Oper "Die Hugenotten", frei nach Luthers Choral "Ein feste Burg".

 

Der triumphale Siegeszug der Chinoiserie "Ba-ta-clan" erstreckte sich von Paris und Frankreich quer durch Europa bis nach Amerika. Ein regelrechter Bataclan-Boom brach aus. Nicht nur in den Musiktheatern. Auch Amüsier-Etablissements nannten sich nach Offenbachs neuem Stück. Das Einzige, das es in Europa noch gibt, steht im 11. Pariser Bezirk, am Boulevard Voltaire, der ersten Adresse, mitten im Herzen der Stadt. Es wurde 1864–1865 errichtet und erinnert noch heute an eine chinesische Pagode. Eine Reverenz an Offenbach.  

 

Das Bataclan begann als Konzert-Café. Im Bataclan wurden Vaudeville-Komödien und Kon-zerte gegeben. Im 20. Jahrhundert wurden im Bataclan Revuen aufgeführt, dort traten aber auch Aristide Bruant und Buffalo Bill auf.  Mauice Chevaler feierte hier seine ersten Erfolge.

 

Viele Jahre hindurch war das Bataclan nur noch Kino. 1969 wurde es geschlossen. Seit 1983 ist das Etablissement wieder „Salle de spectacle“, in dem neben anderen musikalischen und thea-tralischen „Events“ auch Rock- und Pop-Konzerte stattfanden. Das Bataclan" ist neben dem Opernhaus Palais Garnier und dem Salle Pleyel im Conservatoire eine der Ikonen der großen Pariser Musiktradition des 19. Jahrhunderts.

 

Paris war im 19. Jahrhundert nicht nur nach Meinung Richard Wagners die Welt­haupt­­stadt der Musik. Sinfoniker wie Berlioz oder Saint-Saens, Opernkomponisten wie Mey­erbeer und Gou-nod, Organisten wie Widor und Vierne, aber auch Pianisten wie Chopin und Liszt feierten in Paris Triumphe. Last but least Jacques Offenbach. Die Stadt war aber auch was Urba­ni­tät, tech-ni­scher Fort­schritt, Lebensart, Genussfreude und Tourismus angeht, die Europäische Metropo-le schlecht­hin. In seiner Opéra bouffe "Pariser Leben" hat Offenbach dieses moderne, technik-be-geisterte und vergnügungssüch­tige, die Reisenden ganz Europa anziehende, aber auch faszi­nie­rend trügerische Paris auf die Bühne gebracht

 

Das Zweite Kaiserreich war das Milieu, in dem Offenbach zum Abgott von Paris aufsteigen konnte. Der Neffe Napoléons sorgte mit Geldern aus dubiosen Quellen für alt neuen napoleo-nischen Glanz. Der Adel feierte rauschende Feste. Opern und Komö­dienhäuser, Zirkus­­arenen, Restaurants und Konzert-Cafés erstrahlten heller denn je im Licht der neuen Gasbeleuchtung. Die der glänzenden Repräsentations-Medaille hatte aber auch eine Kehr­seite:  Es gab auch die Hungernden, die Deportierten, die Unbeugsamen, zu langen Kerker­strafen Verurteilten. Paris war auch eine Stadt der Armen. Henri Murger hat in sei­nem Roman „Les scènes de la vie bohè­me“ das Elend der bettelarmen Künstler und Kleinen Leute im Spannungsfeld von Kunst, Erotik und Tod beschrieben. Giacomo Puccini auf Grundlage dieses Romans seine Oper "La Boheme" geschrieben.

 

Eine der zentralen Szenen in der Oper „La Bohème“ spielt im Künstler-Café Momus im Quar-tier Latin. Das gibt es nicht mehr. Aber es gibt noch das Café Bataclan, samt Theater- und Konzert­saal. Es  ist einer der authentischen Orte der multikulturellen Musikkultur der Seine-Metropole und ihrer Lebensfreude, die immer auf der Toleranz und der Freiheit des aufge­klärten Europa basierte, in dem man mit Ironie, Humor und Satire den Mächtigen und selbst der Religion augenzwinkernd eine Nase drehen kann. Offenbach hat das mit seiner Form des heiter-satirischen Musiktheaters beispielhaft vorgemacht. 

 

Beitrag für MDR Figaro 19. 11.15