Nachruf Hildegard Behrens

Dieter David Scholz

 

 

"Wie eine brennendeFlamme"

 

Nachruf am auf Hildegard Behrens am 19.8.2009

 

Die Partie der Brünnhilde war Hildegard Behrens auf den Leib geschrieben. Nicht nur bei den Salzburger Festspielen hat sie in dieser Partie von sich reden gemacht, sie sang die Brünnhilde in Richard Wagners „Ring“ bei den Bayreuther Festspielen 1983 unter Sir Georg Solti, danach an der New Yorker Met unter James Levine und am Münchner Nationaltheater unter Wolfgang Sawallisch. Aber auch als Wagners „Isolde“ und als „Elektra“ von Richard Strauss feierte sie Triumphe auf der ganzen Welt, in den 70er und 80er-Jahren des 20. Jahrhunderts. Dabei war ihr das Singen nicht gerade in die Wiege gelegt worden. Ihre berufliche Laufbahn hat die am 9. Februar 1937 als Arzttochter im Oldenburgischen Geborene zunächst mit einem Jurastudium in Freiburg begonnen. Nach dem Examen hat die sie dann bei Ines Leuwen an der Freiburger Musikhochschule Gesang studiert. Dort kursierte das geflügelte Wort „Hildegard, schrei doch nicht so!“, wie sie mir selbst erzählte. Schon damals hatte Hildegard Behrens eine durchschlagskräftige Stimme mit leuchtender Höhe. Und schon damals schonte sie sich nicht.

 

1971 wurde Hildegard Behrens ans Opernstudio der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf engagiert. Relativ spät, sie war immerhin bereits 34 Jahre alt. Sie sang zunächst kleinere Partien, aber auch bald schon die Agathe in Webers „Freischütz“, die „Figaro“-Gräfin, und die Fiordiligi in Mozarts „Cosi fan tutte“. In Zürich gastierte sie bereits als Leonore in Beethovens „Fidelio“, eine Partie, mit der sie später auch an der Met Furore machen sollte. Sie identifizierte sich ein Leben lang mit den mutigen, starken Frauen auf der Opernbühne:

 

„Das ist bei mir immer ein entscheidendes Kriterium meiner Darstellung gewesen, die Konsequenz, mit der die Frauen sozusagen dem inneren Triebe folgen, wie Leonore singt“

 

Als Hildegard Behrens Mitte der Siebzigerjahre in Düsseldorf die Marie in Alban Bergs „Wozzeck“ sang, hörte sie Herbert von Karajan und engagierte sie vom Fleck weg als seine neue „Salome“, die sie mit ihm in Salzburg sang und auch für die Schallplatte einspielte. Es war der Beginn ihrer Weltkarriere. Mit der Karajanschen „Salomé“ avancierte Hildegard Behrens auf einen Schlag zum internationalen Opernstar, nicht nur ihrer enorm kraftvollen Stimme wegen, sondern vor allem wegen ihrer starken Bühnenpräsenz und ihres schonungslosen Einsatzes.

 

„Die Kraft kommt aus der Verausgabung. Wenn ich genügend Selbstvergessenheit aufbringe, wenn ich meine Konzentration total bündele, dann habe ich plötzlich so ein Gefühl, als wenn ich an eine große Orgelpfeife angeschlossen wäre und dann kommt mir die Kraft unentwegt zu. Je mehr ich rausgebe, um so mehr bekomme ich zurück. Ich fühle mich dann wie eine brennende Flamme.“

 

Hildegard Behrens war eine Hochdramatische aus Passion, eine intelligente Singschauspielerin. Mit jeder Phrase, jeder Ausdrucksgeste wußte sie ihr Publikum zu hypnotisieren, auch wenn sie im Eifer der darstellerischen Unbedingtheit gelegentlich stimmliche und technische Grenzen überschritt und sich regelrecht verbrannte auf der Bühne: Man sah es ihr nach. So steil ihre Karriere war, das Singen war ihr nie alleiniger Lebenszweck.

 

„Es muß beides nebeneinander da sein, Zufriedenheit im Beruf und im Privatleben. Ich sehe mein Leben als erfüllt an, als Sängerin und als Mutter mit Kind und Familie. Das waren von Anfang an die beiden wichtigen Beine, auf denen ich stehe, und ich tanke vom einen zum andern. Ich habe mich nie vom Beruf auffressen lassen.“

 

In den letzten Jahren wurde es still um Hildegard Behrens. Sie war in den Siebziger und Achtzigerjahren eine der führenden hochdramatischen Sängerinnen des internationalen Musi-theaters in der Alten und der Neuen Welt. Danach wechselte sie ins Charakterfach. Wie gestern Nacht bekannt wurde, ist die Sängerin im Alter von 72 Jahren ganz unerwartet in Japan verstorben.

 

 

 

ARD Beitrag